Daniel Drepper

Datenschützer: Dopingkontrollen sind „rechtlich nicht akzeptabel“

Dopingkontrollen verstoßen offenbar gegen den Datenschutz. Foto: Wikipedia

Verstößt offenbar gegen den Datenschutz. Foto: Henryart / Wikipedia

„Die Art und Weise der konkret praktizierten Anti-Doping-Kontrollen ist zu weitgehend und schießt teilweise über das berechtigte Ziel, Doping zu verhindern, hinaus. Die geforderten Unterwerfungserklärungen der Sportlerinnen und Sportler unter diese Kontrollmaßnahmen sind rechtlich nicht akzeptabel.“

Mit diesen Sätzen, gestern veröffentlicht, wird das Kontrollsystem von NADA und WADA abgewatscht. Die Datenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beschäftigen sich auf Anfrage von Sportlern seit 2010 mit dem Doping-Kontrollsystem. Sportler müssen sich derzeit drei Monate im Voraus zum Teil stundengenau abmelden, um für Kontrollen bereit zu stehen. Die Datenschützer bescheinigen diesem System zahlreiche Probleme:

  • Möglichkeiten des privaten Rückzugs werden verwehrt
  • die Sportler werden faktisch an der Wahrnehmung ihrer Freiheitsrechte gehindert
  • die angewendeten Verfahren beruhen nicht auf statistisch überprüfbaren Fakten (die Effizienz von ADAMS sei also nicht belegt)
  • Meldepflichten betreffen nicht nur den Sportler, sondern auch dritte Personen, bei denen sich dieser aufhält und die mit dem Dopingverfahren überhaupt nichts zu tun haben
  • Der direkte Blickkontakt bei der Entnahme der Urinkontrolle soll die Abgabe von Fremdurin verhindern. Es bleibt aber fraglich, ob dies tatsächlich erforderlich und verhältnismäßig ist

Weitere Probleme sehen die Datenschützer in der nicht genügend geregelten Datenübermittlung. Das gesamte Positionspapier findet sich auf den Seiten des Datenschutzbeauftragten von Schleswig-Holstein.

Ende vergangenen Jahres hatten FAZ, SZ und Sport Inside bereits über einen ersten Entwurf der Datenschützer berichtet; der Aufschrei war groß, die NADA verteidigte ihr System öffentlich und traf sich mit den Datenschützern. Die NADA erweckte den Eindruck, als sei alles gar nicht so schlimm, wie ich im Auftrag der Main-Post aufgeschrieben habe. Dies dürfte sich jetzt ändern.

Die Datenschützer fordern gesetzliche Grundlagen, ein umfassendes Anti-Doping-Gesetz. Die Stimmen mehren sich. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Tagen und Wochen eine neue Diskussion entsteht.

Mein Text von Dezember 2010 hier nochmal zum Fehler lesen:

Totale Überwachung
Datenschützer kritisieren das Kontrollsystem der NADA – Änderungen sind noch nicht in Sicht

Von Daniel Drepper

Ausforschende Überwachung, rechtswidrig, groteske Übersteigerung: Die Nationale Anti Doping Agentur NADA steht in der Kritik. Der an die Öffentlichkeit geratene Entwurf der Datenschutzbeauftragten aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ließ vergangene Woche kein gutes Haar an den deutschen Doping-Kontrollmethoden. Fast schien es, als stünde das System vor dem Ende. Nun scheint vieles zu bleiben, wie es ist.

Seit zwei Jahren wird das Meldepflicht-Programm ADAMS diskutiert. Das Grundproblem: Wie organisiere ich effektive Trainingskontrollen, wenn die meisten Dopingmittel nur wenige Stunden nachzuweisen sind? Die Kontrolleure müssen notgedrungen überraschend kommen, müssen den Athleten beim urinieren zusehen, wenn sie Manipulationen eingrenzen wollen. Doch die Meldepflicht schränkt die Athleten ein, jede Kontrolle ist ein Eingriff in die Intimsphäre.

Mehrfach haben sich zuletzt Athleten über das System beschwert. So starten die schwäbischen Mountainbike-Profis Lado und Manuel Fumic mittlerweile für Slowenien, weil sie das Kontrollsystem der deutschen NADA nicht akzeptieren wollen (Danke für die Korrektur aus den Kommentaren: Sie haben ihre Lizenz in Slowenien gelöst). Andererseits soll eine noch nicht vollständig ausgewertete Online-Befragung der TU München offenbar zu dem Ergebnis kommen, dass die Athleten das Kontrollsystem akzeptieren. Ein sehr, sehr großer Anteil sei der Meinung, „dass die Kooperation zwischen Athleten und Kontrolleuren sehr gut ist“ wird Studienleiterin Christiane Peters in der Hamburger Morgenpost zitiert. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass sich bis auf wenige Ausnahmen die meisten Athleten nicht trauen, kritisch über das Kontrollsystem zu sprechen.

Das bestätigt Stefan Brink, Mitarbeiter des Landesdatenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz. Auf Nachfrage der Main-Post spricht er von einer mittleren zweistelligen Zahl von Sportlern, die sich als Petent an die Datenschutzbeauftragten gewandt hätten. „Die Sportler haben natürlich kein allzu großes Interesse an Öffentlichkeit. Sie haben Angst, als Doper stigmatisiert zu werden“, sagt Klein. Petitionen eingereicht hatten nach verschiedenen Medienberichten unter anderem die Spieler-Organisationen der Basketballer („Spin“) und Handballer („Goal“).

In ihrem vor zehn Tagen unter anderem in der FAZ öffentlich gewordenen Entwurf kritisierten die Datenschützer unter anderem, dass die NADA mit den gesammelten Daten Persönlichkeits- und Bewegungsprofile der Sportler erstellen könne, die nicht einmal staatlichen Strafverfolgungsbehörden gestattet sei. Dass sich Sportler bei Urinproben entkleiden müssten, sei „sittenwidrig“.

Die NADA konterte bei einem Treffen mit Journalisten am vergangenen Mittwoch: Sie habe schon immer mit Datenschützern zusammengearbeitet, Kritiker von außerhalb des Sports könnten die Anforderungen an Doping-Kontrollen nicht nachvollziehen. Die aktuelle Praxis sei ohne Alternative, könne höchstens leicht verändert werden. Der Kölner Doping-Analytiker Wilhelm Schänzer schloss beispielsweise einen kompletten Verzicht auf Urin-Kontrollen aus: „Dann können wir den Anti-Doping-Kampf gleich einstellen.“

Nachdem sich NADA und Datenschützer vergangene Woche getroffen haben, wird es vorerst nur kleine Korrekturen geben. So soll die Intimsphäre Jugendlicher stärker geschützt werden. Außerdem sollen die Datenschützer in zukünftigen Gespräche zu geänderten Regelungen einbezogen werden. Ein zweites Gespräch soll im Februar stattfinden.

Unabhängig von den auf Kompromiss angelegten Gesprächen mit den Datenschützern steht das Rechtssystem im Sport üblichen rechtlichen Grundsätzen oft diametral gegenüber. So bezweifelt zum Beispiel Andreas Thiel, Justiziar der Handball-Bundesliga, dass das Kontrollsystem mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes und der deutschen Verfassung übereinstimmen. „Das wird – wenn der Knallfall kommt – sicherlich zu diskutieren sein. Es gibt hinreichend gute Kollegen, die sich mit Freude auf ein solches Mandat stürzen würden“, sagt Thiel. Die Diskussion um das Kontrollsystem ist sicher noch lange nicht beendet.

Die Petitionen der Sportler
Für die Bearbeitung der Sportler-Petitionen waren die Datenschutzbeauftragten aus NRW und Rheinland-Pfalz zuständig, weil die beklagten Organisationen und Verbände in ihren Gebieten lagen. Die Sportler dagegen stammen aus allen möglichen Bundesländern – und im Übrigen auch aus den verschiedensten Sportarten.

Das Kontrollsystem ADAMS
Spieler der höchsten Risikostufe – dazu zählen Ausdauer- und Kraftsportarten – müssen sich drei Monate im Voraus abmelden und jeden Tag eine feste Stunde angeben, zu der sie für die Kontrolleure bereit stehen. Bei Mannschaftssportlern entfällt diese feste Kontrollstunde. Ihre Aufenthaltsorte tragen die Sportler in das Internet-System ADAMS ein (Anti-Doping Administration & Management System).

  1. 2. August 2011 -

    Dilemma, Dilemma…
    Ich kann tatsächlich beide Seiten verstehen. Die Argumente der Nada sind genauso nachvollziehbar wie die der Datenschützer. Leider scheinen sie allzu unvereinbar. Und sollten sich die Datenschützer durchsetzen wäre das ein weiterer Sargnagel für den Antidopingkampf.

  2. 4. August 2011 -

    Ein Anstoß, ein neues System zu durchdenken? Die niedrige Effizienz der aktuell üblichen Kontrollen ist schon oft genug angesprochen worden: http://www.scribd.com/fullscreen/41851529

  3. 24. August 2011 -

    Eine Anmerkung/Richtigsstellung, die den Artikel aber nicht wirklich inhaltlich kritisieren will: Die Mountainbiker Lado und Manuel Fumic fahren nicht für Slowenien und sind auch nie für Slowenien gefahren. Dafür bräuchten sie ja die entsprechende Staatsbürgerschaft, die sie aber nicht haben. Sie haben ihre Lizenz in Slowenien beantragt, nachdem es in Kroatien nicht geklappt hat. Dafür muss aber der Wohnsitz aber in dem entsprechenden Land liegen.
    Das haben sie zwar kurzfristig so angegeben, aber in Wirklichkeit war das nie relevant, weil sie als deutsche Olympiateilnehmer 2008 (Manuel) sich den hiesigen Antidopingbestimmungen zu unterwerfen hatten. Sonst wäre keine Nominierung erfolgt. Das hat zumindest der Bund Deutscher Radfahrer BDR damals Manuel Fumic klar gemacht.
    Lado Fumic hat die Norm nicht erfüllt, ist 2009 nur noch ein paar wenige Rennen gefahren und dann 2010 aufgrund „gesundheitlicher Probleme“ zurückgetreten. Manuel Fumic lebt in Stuttgart und fährt mit deutscher Lizenz.
    Bedauerlich, dass sie damals die Sache juristisch nicht durchgezogen haben. Dann wäre man jetzt schon einen Schritt weiter. Aber das Getöse war schließlich das einzige was von der Aktion übrig geblieben ist.

    • 2. September 2011 -

      @Edgar V.

      Danke für den Kommentar! War leider in den Mails verschütt gegangen, deshalb erst hier aufgetaucht. Gute Korrektur, wird eingefügt.