Daniel Drepper

Doping-Workshop der NADA: Hajo Seppelt und Normann Stadler


Journalisten-Workshop der NADA in Bonn: Gut, um Kollegen und ein paar Experten zu treffen – vom Programm her weniger spannend. Weil ich es unvorsichtigerweise gestern schon auf Twitter angekündigt hatte, hier ein kurzer Überblick.

Das Programm lässt erahnen: Recht trocken. Ein paar spannende Punkte versuche ich rauszugreifen

Umbau der NADA:
Aufsichtsratsvorsitzender Hanns Michael Hölz erklärt nochmal den Umbau aus dem Vorjahr und gibt indirekt zu: Ja, ich habe mich in die Arbeit der NADA eingemischt, aber nur, um den nötigen Umbau voranzutreiben. Damals hatte Anja Berninger das Handtuch geworfen und Hölz wurde verdächtigt, dahinter zu stecken. Mittlerweile teilen sich Lars Mortsiefer und Andrea Gotzmann den Vorstandsvorsitz. Damit haben seit 2007 die NADA geführt: Roland Augustin, Christoph Nießen, Göttrik Wewer, Anja Berninger, Martin Nolte und jetzt Mortsiefer und Gotzmann gemeinsam.

Erster Auftritt Andrea Gotzmann:
Gotzmann hatte gestern einen ihrer ersten größeren Auftritte als Chefin. Sie erklärte das Kontrollsystem mit den verschiedenen Risikostufen und Testgruppen. Neu waren für mich Zahlen, wie oft Athleten getestet werden. Einer der 650 Top-Athleten aus dem Registered Testing Pool RTP wurde 2010 im Schnitt 4,7 mal getestet. Im Nationalen Testpool NTP waren es 2,7 Kontrollen und im Allgemeinen Testpool ATP 0,25 Kontrollen pro Athlet.

Gotzmann stellte sich auch nochmal selbst vor. 19 Jahre war sie Basketballerin, spielte lange Nationalmannschaft und war danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Sporthochschule Köln für das Labor von Wilhelm Schänzer tätig. Den Vorsitz der NADA sieht sie als logische Konsequenz. Die NADA stehe mit dem überwiegenden Teil der Athleten auf einer Seite, denn: „Sport ohne Doping ist das Normale. Ich will nicht, dass jede Topleistung gleich mit einem Fragezeichen versehen wird.“ Ich dachte eigentlich, dass grade die NADA jede Topleistung mit einem Fragezeichen versehen müsste.

Blutpass ab 2012: Gotzmann kündigte an, dass im nächsten Jahr das Blutpass-Programm der NADA anlaufen solle. Das hat zumindest der sid berichtet und Spiegel-Online hat es in die Überschrift gepackt. Bei der Süddeutschen steht in der Überschrift sogar „flächendeckend“ obwohl im folgenden dpa-Text davon die Rede ist, dass man erstmal mit den Ausdauersportarten anfangen wolle. Soweit ich weiß werden bereits seit längerem Vollblutproben von der NADA gesammelt, um erste Blutprofile zu erstellen. Ich erinnere mich nicht mehr genau, frage mich aber, was die konkrete Neuerung ab Frühjahr 2012 ist.

Notizen zum Kontrollsystem: Es werden nicht alle Proben für acht Jahre gelagert, sondern nur die Proben von internationalen Großveranstaltungen sowie ein Teil der Trainingskontrollen – je nachdem wie verdächtig der Sportler ist. Eine Zahl konnte Gotzmann nicht nennen.

Langfristig soll die B-Probe abgeschafft werden. Geistert auch schon länger durch die Medien, wird aber wohl langsam konkret.

Lars Mortsiefer sagt, mit dem Welt-Anti-Doping-Code 2009 seien endlich weltweit die Dopingregeln harmonisiert worden. Inwieweit das in der Praxis umgesetzt wird (keine Labore in Afrika, Meldepflichten, auf welche Substanzen wird kontrolliert) sagt er nicht.

Zum Datenschutz soll demnächst eine erste Änderung kommen: Die Daten sollen nicht mehr acht Jahre lang gespeichert werden. Für die Überarbeitung des Welt-Anti-Doping-Codes hat die NADA Vorschläge eingereicht. 2015 gibt es einen neuen Code.

Koffein zurück auf die Dopingliste? Andrea Gotzmann sagt, dass in einigen Ländern und einigen Sportarten aufgefallen sei, dass es einen Missbrauch in hohen Dosen gebe und dass es daher eventuell wieder auf die Verbotsliste kommen soll. Auch Nikotin wird aufgrund seiner leistungssteigernden Wirkung beobachtet.

Die neue Task-Force: Lars Mortsiefer, erst 32 Jahre alt und NADA-Vorstand für Recht, stellt die neue Task-Force der NADA vor. Darin sollen sich die NADA-internen Abteilungen Medizin, Kontrollsystem und Recht besser austauschen. „Bündeln und Informationen zusammentragen“, nennt Mortsiefer das. Besser zusammenarbeiten will die NADA zudem mit Staatsanwaltschaften, dem BKRA, dem Zoll und den Doping-Laboren. Um Sünder aufzuspüren will die NADA in Zukunft anonyme Hinweise, Leistungssprünge, Referenzwerte aus der Sportart, den Blutpsass, die Behörden, Whereabouts und die Kontrollergebnisse zusammenbringen. Das Zusammentragen der Indizien soll die NADA effektiver machen.

Ich wundere mich, dass diese Zusammenarbeit bisher nicht passiert ist. Mortsiefer sagt, die Task-Force solle die Zusammenarbeit der Abteilungen einfach noch weiter verbessern und administrative Vorteile bringen. Warum man darum ein solches Bohei machen muss … Und: In den drei Abteilungen Medizin, Recht und Kontrollsystem arbeiten bei der NADA grade 20 Leute, insgesamt gibt es bei der NADA 30 Leute. Zieht man reines Verwaltungspersonal ab, frage ich mich, wie der Rest so viele Informationen vernünftig auswerten will.

Prävention: Hanns Michael Hölz sagt: „Langfristig ist es wesentlich, dasss wir unsere Ziele über die Prävention erreichen. Der Sport soll besser sein, als die ihn umgebende Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir in der Prävention Gas geben.“ Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann sagt: „Die Prävention und das Kontrollsystem stehen gleichwertig nebeneinander.“ Die Prävention solle erweitert werden von Trainer, Athlet, Physio auf Eltern und Lehrer. Dieser Wechsel von Verhaltens- auf Verhältnisprävention wird von vielen Experten schon seit Jahren gefordert.

Die bisherigen NADA-Präventionsaktionen wirken eher behördenlike: E-learning-Plattform, Dopingkontrollfilm, viel Infomaterial. Eher wenig hört man zum Beispiel über die Einbindung ehemaliger Doper, die sich konkret vor Ort mit Schülern und jungen Sportlern auseinandersetzen.

Gegen die Behauptung Kontrollen und Prävention stehen auf einer Ebene, sprechen allein die Zahlen: Fürs Kontrollsystem hat die NADA im Jahr etwa viereinhalb Millionen Euro, für die Prävention ganze 300.000 Euro.

Diskussion „Sieht London saubere Spiele?“: Weniger spannend als erhofft war auch die Abschlussdiskussion. Mit Hajo Seppelt und Normann Stadler waren eigentlich zwei interessante Leute dabei. Seppelt gestand den Dopingverfolgern Erfolge zu, zum Beispiel aufgrund der zurückgehenden Leistungen in Wurf- und Stoßdisziplinen der Leichtathletik. Er erinnerte aber auch an seine Recherchen, zum Beispiel daran, dass internationale Verbände längst nicht das testen, was sie vorgeben zu testen. Bei der Internationalen Biathlon Union werden zum Beispiel nur weniger als ein Prozent der Proben auf Wachstumshormon getestet. „Nur fünf bis sechs der weltweit 33 akkreditierten Labore machen ein ordentliches Programm.“ Seppelt beklagt, dass die Sponsoren und Verbände aus dem Milliardengeschäft Sport nicht mehr in den Anti-Doping-Kampf investieren.

Seppelt spricht – besonders im Bereicht TV – von massiven Interessenkonflikten der Medien. Man müsse die Journalisten viel besser ausbilden. Auch, um besser über Doping zu berichten. „Man kann mit Doping-Berichterstattung auch den Sportlern ganz persönlich schaden, das ist gefährlich.“ Harals Pistorius, Sportchef der Neuen Osnabrücker Zeitung, sprach davon, dass Dopingberichterstattung auch ein Quotenbringer sein könne und sich Journalisten bewusst werden müssten, dass eine gesetztere Doping-Berichterstattung die bessere sei. Man dürfe über Dopingsünder nicht berichten wie die Bild über Kinderschänder – emotionalisiert, unfair, verdammend.

Normann Stadler war ebenfalls da. Der zweimalige Hawaii-Sieger reagierte auf die Frage, wie viele der Top10 im Triathlon gedopt seien, mit deinem „Ohje, ich war ja selbst mal darunter, sogar die Nummer eins.“ Triathlon sei natürlich prädestiniert für Doping, aber gleichzeitig eine der meistkontrollierten Sportarten, so Stadler. „Ich bin seit 88 im Kader, seitdem hat sich viel getan. Beim Ironman Hawaii wird ja erst seit 2004 auf EPO kontrolliert worden – und dann wurde Nina Kraft gleich erwischt. Damals habe ich auch gewonnen. Das war für mich der finanzielle Ruin.“

Stadler sagt, er findet die vielen Kontrollen gut, die Abmeldung über das ADAMS-System und die Ein-Stunden-Regel aber mühselig und auch nicht besonders sinnvoll. Die Athleten sollten nicht wissen, wann der Kontrolleur kommt, das sei besser. Grundsätzlich findet er es nicht gut, wie schnell man selbst als Athlet unter Dopingverdacht gerät. „Man musste ja nur mit einem Radteam auf Mallorca unterwegs sein und schon war man gedopt.“ Er erwähnt auch seine in den Medien berichtete Verbindung zu Lothar Heinrich und sein damals wenig glückliches Gespräch mit Lisa Hütthaler und Jörg Jaksche im Bayerischen Rundfunk. „Da fährt man mal einen Tag mit den Jungs von Telekom Rad auf Wunsch des Sponsors Powerbar und schon ist man verdächtig.“

Ob London saubere Spiele sehen wird (natürlich nicht), kam bei der Diskussion leider nicht raus.

Einen Text zum gestrigen Tag hat auch Fabian Fiedler für tri-mag.de geschrieben.

  1. 24. Januar 2012 -

    ZITAT : „Seppelt spricht – besonders im Bereich TV – von massiven Interessenkonflikten der Medien. Man müsse die Journalisten viel besser ausbilden. Auch, um besser über Doping zu berichten. “Man kann mit Doping-Berichterstattung auch den Sportlern ganz persönlich schaden, das ist gefährlich.” Harals Pistorius, Sportchef der Neuen Osnabrücker Zeitung, sprach davon, dass Dopingberichterstattung auch ein Quotenbringer sein könne und sich Journalisten bewusst werden müssten, dass eine gesetztere Doping-Berichterstattung die bessere sei. Man dürfe über Dopingsünder nicht berichten wie die Bild über Kinderschänder – emotionalisiert, unfair, verdammend.“

    Ist das etwa eine Selbstkritik von Hajo Seppelt ? Damit wäre er willkommen. Interessant wäre schon mal gewesen, wenn er sich zur Wiener- Blut- Affäre und dem persönlichem Rückpfiff durch den Arbeitgeber geäußert hätte. Aber, da wird es knifflig. Transparenz hat auch ihre Grenzen.

    Der Umgang mit Dopingsündern in der medialen Welt – da gibt es leider sehr ausfallende Beispiele – passiert oft jenseits des Umgangs mit verurteilten Straftätern. Selten findet man da relativierende und hinterfragende Betrachtungen. Die Analyse der schlechten Kindheit eines Mörders gehört dagegen schon zum guten Ton bei der Berichterstattung. Da stimmt doch irgendetwas in den Relationen nicht. Weshalb sind denn des Dopings Verdächtigte und Dopingsünder sowieso scheinbar zum medialen Abschuss freigegeben ? Liegt das an ihnen, an ihren Jägern oder sind ihre Taten schlimmer als die von Straftätern einzuschätzen ? Oder ist die Atmosphäre in der Gesellschaft bereits so angespannt, dass Dopingfälle ein willkommenes Ventil darstellen ? Also angemessen ist es jedenfalls nicht.

  2. 24. Januar 2012 -

    @proathlet: Sehe ich anders. Ich glaube nicht, dass Dopingsündern damit gedient wäre, wenn Journalisten über frühkindliche Fehlprägungen diskutieren würden. Angesichts der Vorbildfunktion und der teils hohen Prämien finde ich die Masse der Berichterstattung über Doping zumindest in großen Teilen angemessen. Die Qualität ist eine andere Frage. Das sprechen Seppelt und Pistorius ja auch gut an. Es ist halt sehr kompliziert und die allerwenigsten haben Lust drauf. Was ich übrigens auch verstehen kann.

  3. 24. Januar 2012 -

    Daniel, das war von mir nicht ernsthaft gemeint. Es sollte nur verdeutlichen, wie zu anderen, weitaus schlimmeren Vergehen hinterfragt, wie scheinbares Verständnis Straftätern entgegengebracht und wie vergleichsweise mit einem Dopingsünder „abgerechnet“wird.