Daniel Drepper

Doping im Fußball: Beckenbauer, Juve und ein bayrischer Arzt

Franz Beckenbauer hantierte mit Eigenblut, er hat es selber zugegeben. 1977 berichtete der Kaiser davon im Stern und schob gleich hinterher, in der Bundesliga werde ohnehin „gespritzt und geschluckt“. Dopende Fußballer sind keine Einzelfälle. Einiges spricht dafür, dass Doping im Fußball weiter verbreitet ist, als viele noch immer glauben wollen. Zum Bundesliga-Start ein paar Einblicke in die Welt der Pillen und Spritzen; dazu drei Faktoren, die meiner Meinung nach für verbreitetes Doping im Fußball sprechen.

Die Liste der Indizien ist lang: Die Weltmeister von 1954 wurden offenbar mit der Fliegerdroge Pervitin scharf gemacht; in den Achtzigern schmissen Bundesligaspieler das Aufputschmittel Captagon; Juventus Turin war bei seinem Champions-League-Sieg 1996 systematisch mit Epo gedopt; die Freiburger Doping-Ärzte von Jan Ullrich betreuten die Fußballer des SC Freiburg und Spaniens Blutpanscher Eufemiano Fuentes versorgte zahlreiche spanische Top-Klubs. Hinzu kommen Dutzende Einzelfälle. Von Maradona bis Kolo Touré.

Vor Kurzem berichtete Stefan Matschiner im Bayrischen Rundfunk, dass der „Teamarzt eines bayrischen Fußballvereins“ bei Verletzungen wie Muskelfaserrissen Testosteron zur schnelleren Heilung gespritzt habe. Das sei kein Gerücht, sondern sicheres Wissen, sagte Matschiner. Und: „Das ist alles Doping.“ Matschiner versorgte jahrelang Athleten wie den Tour de France-Dritten Bernhard Kohl mit Dopingmitteln, zu seinen Kunden zählten auch Fußballer.

Mehr Dopingfälle als bei der Tour de France
Jetzt also sechs Fälle bei der Frauen-WM – ein Mal Kolumbien, fünf Mal Nordkorea. Letztere angeblich, weil die Spielerinnen nach einem Blitzschlag mit traditioneller chinesischer Medizin aus der Drüse eines Moschushirschen behandelt wurden. Aktuell verweist die FIFA bei Anfragen auf laufende Untersuchungen. So oder so: Bei der Frauen-WM gab es in diesem Jahr mehr positive Proben als bei der Tour de France.

Häufig wird argumentiert, im Fußball zähle vor allem Technik. Spritzen helfen nicht, den Ball zu stoppen, natürlich nicht, aber Blutdoping steigert auch im Fußball die Ausdauer um zehn bis 15 Prozent. Das ist so viel wie ein weiterer Feldspieler – auch taktisch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.

Drei Faktoren sprechen für Doping im Fußball
Vergleicht man Fußball mit Radsport, wird vieles klarer. Drei zentrale Faktoren pro Doping sind aus dem Radsport bekannt, alle drei treffen meiner Meinung nach auch auf den Fußball zu.

Die Gruppe: „Wenn andere dopen, dann ziehe ich nach.“ Juventus Turin dopte seine Spieler, wie reagierten wohl die Bayern oder Barcelona? Schon jugendliche Fußballer erkundigen sich in Internetforen nach Dopingsubstanzen, um mithalten zu können (siehe vor allem das ARD-Radiofeature, verlinkt am Ende des Textes). Schmerzmittel sind im Fußball Alltag. Der Gruppenzwang im Radsport dürfte höher sein, aber auch im Fußball ist er vorhanden.

Die Kontrollen: „Ich kann ja eh nicht erwischt werden.“ Dopingtests im Fußball sind mangelhaft. 1659 Wettkampfkontrollen nahm der DFB in der abgelaufenen Saison, verteilt auf 13 Spielklassen. Bei geschätzten 5000 Spielern wird jeder einzelne im Schnitt nur alle drei Jahre getestet. Im Training gibt es zusätzlich 500 Kontrollen, verteilt auf 1200 Spieler. Weil hier vor allem die Nationalspieler getestet werden, ist die Chance als normaler Bundesligaspieler im Training getestet zu werden gleich null. Die FIFA rühmt sich, die Sportart mit den meisten Kontrollen zu sein. Dass sie auch die mit riesigem Abstand meisten Profis hat, erwähnt sie nicht. Die allermeisten Mittel sind zudem nicht nachweisbar. Einen Blutpass zum indirekten Nachweis dieser neuen Substanzen gibt es Fußball aber nicht. Im Radsport wird so ein Pass seit längerem genutzt, um Werte über längere Zeit zu dokumentieren und durch unnatürlich Schwankungen den geschickt dopenden Sportlern auf die Schliche zu kommen.

Das Geld: „Ein Etappensieg und mein Team verlängert für ein weiteres Jahr.“ Im Fußball sind die Verträge etwa zehn Mal so hoch dotiert wie im Radsport. Die Konkurrenz ist noch größer, der Druck gewaltig.

DFB und FIFA verstecken sich hinter Zahlen

DFB und FIFA sehen keine Probleme. FIFA-Chefmediziner Jiri Dvorak führt auf meine Anfrage hin den Anteil überführter Sünder ins Feld. Von mehr als 32000 Kontrollen seien 2009 lediglich 0,21 Prozent positiv gewesen. Dass die Statistik keine Aussagekraft hat und zum Beispiel im Radsport kaum anders aussieht, scheint ihn nicht zu stören.

Der DFB möchte nicht über das Ausmaß des Dopings im Fußball sprechen. „Aussagen zu einer Dunkelziffer wären rein spekulativ“, schreibt mir Vizepräsident Rainhard Koch. „Jeder einzelne Fall von Doping im Fußball ist ein Fall zu viel.“

Gute Miene machen und Skandale nicht aufarbeiten: bislang ist der Fußball damit gut gefahren.

Wer mehr zum Thema wissen will…

…für den habe ich drei ausgezeichnete Links. Zum einen empfehle ich den Text „Spritzensport“ von Thomas Kistner aus dem SZ-Magazin von August 2007. Zum anderen hat Lorenz Rollhäuser ein herausragendes, einstündiges Radio-Feature für die ARD produziert. Das Manuskript des Stücks und Hörproben finden sich hier. Ein umfangreiches Dossier zum Doping im Fußball mit vielen Links findet sich bei Cycling4Fans.

Wer über das Thema reden will…

…kann sich gern mit mir in Verbindung setzen. Per Mail oder anonym über das Upload-Portal der WAZ.

(Den Text habe ich auch im Blog des Rechercheressorts der WAZ veröffentlicht, für das ich als Reporter arbeite)

Kontakt: daniel.drepper (ät) gmail.com // 0176 611 96 014

  1. 10. August 2011 -

    Doping im Fußball??? So ein Quatsch, das Zeug muss in die Spieler. ;-)

  2. 10. August 2011 -

    Doping im Fußball??? So ein Quatsch, das Zeig muss in die Spieler. ;-)

  3. 10. August 2011 -

    Hier fehlt Olympique Marseille in den 90ern….

    u.a.: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,396720,00.html

  4. 11. August 2011 -

    Habe gerade das Buch „Revolution auf dem Rasen“ von Jonathan Wilson gelesen, indem der britische Journalist die Geschichte der Fußballtaktiken analysiert. Seine These: Es entscheiden nur noch Details über die Leistungsunterschiede im Fußball, da das Taktikpotenzial fast ausgeschöpft ist und nur noch alle paar Jahre wirkliche neue Entwicklungen zu erkennen sind. Feldspieler, die 10% mehr Leistung bringen, können genau den entscheidenden Faktor bedeuten.

    Konkret spricht er das Thema Doping in ein paar Passagen kurz an, Beispielausschnitt über Inter Mailandd von 1967, welches vom detailverliebteb Coach Helenio Herrera trainiert wurde:
    „So behauptete Ferruccio Mazzola…in seiner Autobiografie: Ich habe die Behandlung der Spieler mit meinen eigenen Augen gesehen. Herrera versorgte uns mit Pillen, die wir unter unsere Zungen tun mussten… spuckten sie schließlich aus… Herrera (bekam) das heraus und entschied, sie fortan im Kaffee aufzulösen. Von den Tag an wurde „Il Caffé Herrera eine feste Institution bei Inter.“

  5. 11. August 2011 -

    @Pudzian: Danke, auf jeden Fall. Fehlen aber auch noch weitere Dinge. Kistner berichtet in seinem Text über Zidane, um nur ein Beispiel zu nennen.

    @Jonathan: Wenn du Langeweile hast, scann mir mal die Ausschnitte :)

  6. 3. Oktober 2011 -

    Wie sehr auch Freizeit Fussballspieler nach einer Leistungssteigerung durch Dopingmittel suchen zeigt sich in einer Frage, die man hier findet:
    http://www.sportlerfrage.net/frage/was-ist-das-beste-legale-dopingmittel-um-beim-fussball-topleistung-zu-erbringen

  7. 18. November 2011 -

    […] Drei Gründe für Doping im Fußball […]

  8. 18. November 2011 -

    das behaubte ich schon seid jahren das im fussball gedopt wird, womit werden die wöchendlichen verletzungen behandelt ,nach 2tagen sind die jungs wieder fit.alles mit wasser und nivea creme.
    ard u.zdf sollte die berichtersattung über fussball einstellen wie im radsport

    • 18. November 2011 -

      @keutgens

      Einstellen sollte man die Berichterstattung nicht, finde ich. Aber mehr über Doping im Fußball berichten, das wäre doch schonmal ein Anfang.

  9. 18. November 2011 -

    da hast du nicht unrecht aber die stecken alle unter einer decke und breiten den mantel des schweigens darüber wir reden dann über radsport das bringt mehr weil die zuschauer sesilbilisiert wurden.

  10. 21. November 2011 -

    […] Drei Gründe für Doping im Fußball […]

  11. 29. November 2011 -

    […] Drei Gründe für Doping im Fußball […]

  12. 8. März 2012 -

    […] Skandale wie das Teamdoping bei Juventus Turin in den 90er Jahren oder die Aussagen von Eufemiano Fuentes zu seinen Engagements in Spanien widerlegen Klopp. […]

  13. 11. April 2012 -

    […] habe hier zuletzt hin und wieder über Doping im Fußball geschrieben. Warum ich glaube, dass Doping im Fußball verbreitet ist und wie groß die Lücken bei Dopingkontrollen im Fußball sind. In den vergangenen Wochen habe ich […]

  14. 25. Juli 2013 -

    […] 1996. Es gibt genügend Beläge, dass auch im Profifussball gedopt wird. Teilweise ist vom systematischen Doping durch Vereine und Verbände die […]