Daniel Drepper

Die Redaktion: Portal der Post bringt mir bisher gar nichts

Profil bei dieredaktion.de // danieldrepper

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Die Post als Retter der freien Journalisten? „Die Redaktion vergrößert Ihren Wirkungskreis. Verkaufen Sie Ihre Artikel und finden Sie neue Aufträge.“ So wirbt die Post für ihr neues Portal „dieredaktion.de – die Journalismusbörse“. Ich habe mich Anfang des Monats angemeldet. Bis jetzt hat mir das gar nichts gebracht.

Zunächst: Die Seite ist extrem vollgemüllt vorgefüllt mit Texten des Axel Springer Verlages. In ihrem guten Blog-Eintrag zum Thema schreiben die Freischreiber von 10000 Springer-Texten.

Ich habe mir nur den Bereich Sport angesehen und kann sagen, dass dort quasi ausschließlich Texte von Redakteuren der Welt-Gruppe zu finden sind. Dass Axel Springer dort seine Texte weiterverwerten will, widerspricht dem Gedanken des Portals meiner Meinung nach grundsätzlichst, ist aber wohl nicht zu vermeiden, wenn die Entwicklung von Springer begleitet wurde. Die Redaktion gibt die Mehrfachverwertung der Verlagstexte auch als offizielles Ziel mit an.

Die Springer-Texte waren schon am Tag vor der offiziellen Eröffnung des Portals eingestellt. Wer also wie ich wenige Tage nach Start des Portals zum Test ein paar eigene Texte einstellen wollte, sah sich schon einer Unmenge an Konkurrenztexten ausgesetzt. Das blöde daran: Die allermeisten Springer-Texte sind weder aktuell, noch zeitlos. Sie sind einfach wahllos eingestellt. Zum Teil stehen Vorschauen auf längst vergangene Wettbewerbe drin, Texte mit völlig überholten inhaltlichen Bezügen. Auch meine drei angebotenen Test-Texte sind nicht hyper-aktuell, aber zumindest einigermaßen zeitlos.

Für meine Artikel habe ich bislang noch keine Angebote bekommen. Das kann natürlich auch an mir und muss nicht unbedingt am Portal liegen. Zumindest die Konkurrenz dürfte bislang aber nicht Schuld an der mangelnden Nachfrage nach meinen Texten sein. In der Kategorie Sport haben sich bis heute nur 17 Journalisten angemeldet, von denen außer mir bislang nur eine andere Autorin einen Text eingestellt hat (erst gestern zum Thema Höhentraining).

Ich kann keine abschließende Aussage treffen, aber es wirkt so, als hätte zumindest in der Kategorie Sport außer den Springer-Medien, der Höhentrainings-Kollegin und mir niemand sonst einen Text angeboten. Ich lasse mich natürlich gern vom Gegenteil überzeugen.

In ihrem Newsletter vor knapp einer Woche berichtet die Redaktion mit einem Beispiel von einer ersten gelungenen Auftragsabwicklung. „Zwischenzeitlich nimmt die Zahl der Verkäufer und Käufer kontinuierlich zu“, so die Redaktion. Nach einem Knaller-Start klang die Mail beileibe nicht.

Bei mir hat sich die Redaktion vor ein paar Tagen per automatischer Mail gemeldet, dass ein eingestellter Auftrag auf mein Profil passen würde: „Journalistisch, Texten nach Stichwörtern“. Angegeben hatte ich auch „Fachartikel“ und „Gesamtwerk“ – alle anderen Profilangaben waren PR-lastig, was ich nicht machen möchte.

Der Auftrag scheint gut bezahlt zu sein und ist zudem für eine offenbar kritische Organisation, passt aber nicht zu mir. Interessant ist der letzte Satz des Anagebotes: „Die Dauer des Auftrags kann verlängert werden, leider lässt die dümmliche Auftragsabfrage dieses neuen Portals keine präzisen Angaben zu.“

Das Portal ist erst vier Wochen online und um eine abschließende Aussage treffen zu können, habe ich mich zu wenig damit beschäftigt. Ich bezweifle aber ganz stark, dass sich „Die Redaktion“ langfristig durchsetzen wird.

Der erwähnte Blog-Eintrag der Freischreiber listet sehr schön die Probleme des Portals auf: Die hohe Provision für die Post (inklusive Jahresgebühr von 72 Euro für das bislang noch kostenlose Portal), Probleme mit dem Urheberrecht, Tendenz zu niedrigen Honoraren, Probleme für das Ansehen journalistischer Arbeit (Stichwort: Textabwurfstelle), Vermischung von Journalismus und PR – und weitere. Auch die Diskussion in den dortigen Kommentaren ist angemessen kritisch.

Dennoch scheinen solche Portale für Vermarkter aktuell einen großen Reiz zu haben. Vor neun Tagen hat mich eine Vermarktungsagentur angefragt, ob für mich als freier Autor ein Testzugang zu dem sehr ähnlichen Portal publisherbox.com interessant wäre. Ich habe interessiert geantwortet. Der Testzugang sollte innerhalb von 14 Tagen kommen, das war vor neun Tagen. Bislang habe ich noch nichts gehört.

[Update 25. Juli 2012] Ich habe von dem Portal ein Stipendium über 4000 Euro bekommen, das ich für Recherchen zu innerstädtischen Einkaufszentren genutzt habe. In gewisser Weise hat mir das Portal nun also doch etwas gebracht. Verkauft habe ich den Text bislang noch nicht – falls noch jemand Interesse hat.

  1. 1. Oktober 2011 -

    […] dem neuen Textbasar der Post. Ich hatte mich im Frühjahr, gleich zum Start des Portals, angemeldet und einen Testbericht verfasst. Ich bin noch immer nicht überzeugt vom Konzept des Portals, immerhin hat die Post die geplante […]

  2. 22. November 2011 -

    Hallo Herr Drepper, ich bin von der Redaktion übernommen worden, weil ich vorher auf Spredder war. Um dort Artikel verkaufen zu können, müsst ich mir einen Presseausweis besorgen, der kostet und Aufwand bedeutet. Deswegen wollt ich nochmal nachfragen, ob sich Ihre Meinung zu dem Portal inzwischen geändert hat. Grüße und Danke für den bisherigen Bericht, J-F. Pompe

    • 23. November 2011 -

      @J-Florence Pompe

      Ich hab dort bislang keinen Text verkaufen können, habe es aber auch nicht wirklich probiert. Presseausweis/Mitgliedschaft in der Gewerkschaft halte ich aber unabhängig davon für empfehlenswert!

  3. 24. November 2011 -

    Aha, Danke für die Antwort. Grüße, J.F. Pompe

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