Daniel Drepper

Hyperlokaler Sportjournalismus: Das Beispiel Sonntagsschicht

Gewalt im Lokalsport, Ablösezahlungen für Amateurfußballer, Frauen an der Pfeife: Spannende Themen kommen im lokalen Sportjournalismus oft nicht vor. Überregional kann man sich die guten Texte aus Qualitätsmedien zusammensuchen. Ich selbst zum Beispiel habe ein Abo der SZ, schaue zusätzlich im Internet. Aber lokal? Wenn es im schlechtesten Fall nur eine einzige Zeitung gibt? Da bleibt es viel zu oft bei der viel bemühten 1:0-Berichterstattung. Eine Alternative könnten hyperlokale Sportblogs sein. Seit einigen Wochen ist sonntagsschicht.de gestartet – ein ambitionierter Versuch von Dortmunder Journalistik-Studenten.

Sportblogs gibt es mittlerweile unzählige. Mehr als 100 haben sich im Sportbloggernetzwerk organisiert, in dem auch ich seit einigen Wochen Mitglied bin. Viele dieser Blogs sind Fußballblogs. Auch lokale Fußballblogs und -webseiten gibt es einige. Eines der erfolgreichsten und bekanntesten Beispiele ist fussball-passau.de, das 2006 startete. Anfang 2010 berichtete der Spiegel, kurze Zeit später bekam Gründer Michael Wagner den Grimme Online Award. Im letzten halben Jahr hat Wagner expandiert, übernahm die Seite bayliga.de und berichtet seit Kurzem auch über den Bezirk Oberpfalz. Die aktuellen Besucherzahlen nach eigenen Angaben: Insgesamt seit Start etwa 11,5 Millionen, am vergangenen Samstag waren es allein über 20000.

Fußball Passau setzt vor allem auf Umfang und Aktualität. Sonntagsschicht verfolgt ein anderes Konzept. Es konzentriert sich auf den Fußballkreis 12, der vor allem das Stadtgebiet Gelsenkirchen abdeckt. Statt umfassender Berichterstattung gibt es hintergründige Berichte, auch mal kritischen Journalismus, besondere Geschichten. Mitentwickelt hat das Portal Oliver Fritsch, Betreiber vom Indirekten Freistoß und von den Hartplatzhelden und Sport-Redakteur bei Zeit-Online. Die Journalistik-Studenten bereiteten im vergangenen Jahr ein Konzept vor – einige Male war auch ich dabei. Seit Anfang dieses Jahres ist die Seite online.

Screenshot sonntagsschicht.de // danieldrepper

Screenshot sonntagsschicht.de // danieldrepper

Kann hyperlokaler Sportjournalismus funktionieren? Sonntagsschicht selbst will mit den Vereinen vor Ort zusammenarbeiten, will sie für die Seite begeistern, zum Mitmachen anregen. „User Generated Content“, eines der Zauberwörter im Online-Journalismus. Bei Fußball Passau hat das funktioniert, dort helfen hunderte Sportler mit, die Seite mit aktuellen Infos zu füllen. Warum auf Dauer nicht auch bei Sonntagsschicht?

Knackpunkt dürfte die Kontinuität sein. In den ersten Wochen und Monaten hat es ein neues Portal natürlich schwer, viele Besucher anzulocken. In den vergangenen vier Wochen hatte die Seite etwa 4000 Seitenaufrufe, an einzelnen Spitzentagen bis zu 400. Die meisten Gelsenkirchener Fußballer dürften die Seite dennoch bislang nicht kennen. Aber ohne die Beteiligung der Menschen vor Ort geht es grade im hyperlokalen Journalismus nicht.

Auch wenn auf der Seite selbst noch nicht all zu viele User-Kommentare kommen, Potenzial ist da. Einige Texte des Blogs finden sich auch in der Community von spox.com. Der Text „Schiri, geh doch kochen“ über weibliche Schiedsrichterinnen hat dort in gut zwei Wochen fast 10000 Leser gefunden.

Die Zusammenarbeit regte der Community-Leiter von spox.com an: Max-Jacob Ost traf beim Lokalsportforum Gelsenkirchen auf die Sonntagsschichtler. Fünfstellige Klickzahlen für einen gut geschriebenen Text – wie den über die weibliche Schiedsrichterinnen – seien in der Spox-Community allerdings nicht ungewöhnlich. Schließlich promote man gute Texte auch auf der Startseite. Beachtlich findet Ost dagegen die guten Klickzahlen bei den anderen Sonntagsschicht-Texten, die eigentlich nur regionalen Bezug haben.

„Das Konzept von Sonntagsschicht“, sagt Ost, „kann durchaus funktionieren.“ Schwierig sei es, solch ein Projekt anzuschieben und eine gewisse Reichweite zu erreichen, die schließlich die Nutzerbeteiligung erst ermöglicht. Dass Blogs zur Steigerung der Aufmerksamkeit bei spox.com ihre Texte veröffentlichen, passiere laut Ost durchaus häufiger. Für einen erfolgreichen Blog sei es wichtig, von Anfang an eine Community aufzubauen und mitzunehmen. Bei lokalen Blogs müsse man die Leute vor Ort zudem persönlich ansprechen, Berichte müsse man aktiv bei Vereinen promoten. Wenn die Voraussetzungen stimmen, hätten lokale Blogs laut Ost in der langfristigen Finanzierung aber vielleicht sogar Vorteile. Schließlich würden kleinere Firmen und Sparkassen auch bei lokalen Sportveranstaltungen werben.

Projektleiterin Angelika Mikus vom Dortmunder Journalistik-Institut will die Resonanz auf Sonntagsschicht noch nicht analysieren. „Dafür ist es noch zu früh. Erstmal läuft das Projekt ja noch bis zum 1. April. Danach sehen wir, wie es weitergeht.“ Einige erste Erkenntnisse gebe es aber schon. „Ohne Social Media läuft nichts. Ein Bedarf an abseitigen Themen ist da. Und: Gender-Themen funktionieren – auch mit Blick auf die Frauenfußball-WM im Sommer – supergut.“ Guter Journalismus funktioniere auch im Lokalen, so Mikus. Eine solche Seite kommerziell zu betreiben funktioniere aber wohl nur, wenn auch aktuelle Ergebnisse, Berichte und Liveticker geboten werden. Der Vorteil des Dortmunder Projektes: Es ist explorativ, die Wirtschaftlichkeit steht erstmal nicht im Vordergrund.

Von mir steht übrigens auch noch ein Text für Sonntagsschicht aus. Neues dazu gibts dann wie immer hier.