Daniel Drepper

Die Lösung für das Dopingproblem


Eine Überwachung der WADA, alle Wettkampfkontrollen an die NADA, weniger Druck auf die Athleten und Verbände, mehr Einsatz von Medien und Sponsoren: Karl-Heinrich Bette hat gemeinsam mit Ansgar Thiel und Felix Kühnle einige Empfehlungen für einen besseren Kampf gegen Doping gegeben. Ja, die Überschrift ist überspitzt. Aber immerhin mal ein Ansatz für eine Diskussion.

In den ersten beiden Teilen meiner Mini-Serie zur Dopingbekämpfung in Deutschland habe ich über Fehler in der Dopingprävention geschrieben und mit Andreas Singler über die politischen Hintergründe des Dopingkampfes gesprochen.

Karl-Heinrich Bette habe ich vor ein paar Wochen in seinem Büro in der Darmstädter Magdalenenstraße besucht. Zwischen Umzugskisten und Büchern zur Soziologie des Dopings haben wir uns lange unterhalten. Einen kleinen Teil habe ich mitgeschnitten.

In dem Buch „Dopingprävention – Eine soziologische Expertise“ haben Bette, Ansgar Thiel und Felix Kühnle „Empfehlungen zur Vorbeugung von Doping im Spitzensport“ gedruckt. Die Studie ist vom Deutschen Leichtathletik-Verband angefragt und mit 20.000 Euro bezuschusst worden. Im Original sind die Empfehlungen am Ende des Buches 34 Seiten lang. Ich dokumentiere sie mit Genehmigung von Karl-Heinrich Bette in gekürzter Fassung.

Auf die fünf Hauptpunkte leiten die drei Soziologen recht ausführlich hin. Ich fasse mal in eigenen Worten zusammen:

Auf alle drei Ebenen im Sport wird Druck ausgeübt: Auf BMI und DOSB, weil sich Wirtschaft, Medien, Politik und Publikum immer stärker auf Sieger stürzen und den Rest links und rechts liegen lasen. Auf die Verbände, weil sie Medaillen liefern müssen, um Fördergeld zu bekommen und auf die Athleten, weil der steigende Druck natürlich auch sie beeinflusst. Doping kommt beim Athleten deshalb zum Teil als „brauchbare Illegalität“ an, eine rationale Entscheidung, um Druck und biographischen Risiken zu begegnen.

Die Moral setzt sich fast immer nur in Situationen durch, in denen man kaum etwas riskieren muss. Geht es um mehr (zum Beispiel Geld, die langfristige berufliche Perspektive) wird oft rational abgewogen. Pädagogische Moralkampagnen haben deshalb eine natürliche Grenze; sind die gegenseitigen Abhängigkeiten zu groß, wirken sie nicht mehr. Die Abhängigkeiten im Spitzensport zu reduzieren ist aber extrem schwierig. Dass niemand mehr an eine funktionierende Dopingbekämpfung glaubt, schafft zusätzliche Probleme: Athleten glauben, ihre Konkurrenten dopen. Und sie glauben, nicht erwischt zu werden.

Um den Sport nicht dauerhaft zur unglaubwürdigen Freakshow werden zu lassen, haben Bette, Thiel und Kühnle deshalb fünf „Empfehlungen zur Vorbeugung von Doping im Spitzensport“. Etwas sehr wissenschaftlich formuliert, aber ich finde, das kann zwischendurch auch mal nicht schaden. Wohlan, im Sinne des Bildungsauftrags dieses Blogs.

I Kontrolloptimierung

[…] „Die größte präventive Wirkung könnte erreicht werden, wenn die Koltrollorgane die Entdeckungswahrscheinlichkeit für dopende Athleten entscheidend erhöhten. […] Lasche oder überhaupt nicht durchgeführte Kontrollen vor allem in den entscheidenden Trainings- und Vorbereitungsphasen säen Misstrauen und führen individuelle und korporative Sportakteure langfristig dazu, wegzuschauen, Normtreue zu simulieren oder sich klammheimlich an das tatsächliche oder nur vermutete Dopen der Konkurrenten ‚kreativ‘ anbzupassen. […] Dieser wichtigen Forderung steht die ernüchternde Tatsache gegenüber, dass viele Länder und nationale Sportorganisationen bis heute nicht die von der WADA definierten Mindeststandards bei der Dopingbekämpfung erfüllen. […]

Einen Schritt in die richtige Richtung einer Verbesserung des nationalen und internationalen Kontrollregmies geht die bereits erwähnte ‚Erste Europäische Beobachtungsstelle‘ für eine ‚Präventive Dopingforschung‘, die kürzlich an der Deutschen Sporthochschule Köln eingerichte wurde. […] In Zusammenarbeit mit Pharmaindustrie, Bundeskriminalamt, Zoll sowie mit Experten aus der Schweiz und Österreich soll der Einsatz neuer Substanzen und Methoden entdeckt und durch die frühzeitige Entwicklung von Testverfahren unterbunden werden. [Die Risiken], die nationale Sportverbände eingehen, wenn die dort angesiedelten Nationalen Anti-Doping-Organisationen ihre Kontrollmaßnahmen nur unilateral verschärfen, die Mitkonkurrenten im Weltsport aber nicht simultan [mitziehen, sind ganz erheblich]. […] Ohne eine Kontrolle der WADA durch neutrale Dritte zur Sicherstellung des Kontrollregimes dieses supranationalen Akteurs wird es nicht gehen, da auch diese Einrichtung unter Druck steht, die Risiken einer Kontrollverschärfung und einer erhöhten Aufdeckungsfrequenz zu vermeiden. […] Ob die WADA und die sie finanzierenden Bezugsgruppen bereit sein werden, um die Arbeit der NADA durch neutrale Dritte beobachte und evaluieren zu lassen, […] wird abzuwarten sein.

Die nationalen Kontrolleinrichtungen sind gefordert, die bisherigen Kontrollinitiativen auszubauen sowie glaubhafte und kompetente Vertreter in die jeweiligen nationanen und supranationalen Gremien zu entsenden – und nicht Verbandsvertreter, die sowohl aktiv als auch passiv bereits in Dopingpraktiken verstrickt waren oder sind. […] Das Abtreten sämtlicher Wettkampfkontrollen an die NADA wäre dabei einer weiterer wichtiger Schritt, um den Vorwurf der Mauschelei und Gefälligkeitsjurisprudenz zu entkräften. […] Eine öffentliche Überprüfung der bisherigen und zkünfutigen Stellenbesetzungspraxis, auch auf der Ebene der ehrenamtlichen Funktionäre und des eitenden hauptberuflichen Personals, könnte ein sichtbares Zeichen sein, dass man nichts zu verstecken hat und die entsprechenden Institutionen bereit sind, Blicke auf ihre Hinterbühen zuzulassen. […] Es kann nicht sein, dass die NADA – bei stetig wachsenden Aufgaben – notorisch unterfinanziert ist und ehemalige oder noch amtierende Funktionsträger aus Politik, Wirtschaft und Spitzensport an der Hierarchiespitze stehen. […]

Über die Öffentlichkeit relevanter Gremiensitzugnen in der NADA wäre ebenfalls nachzudenken, solange hier kein Wissen vermittelt wird, dass sich für eine Dopingdevianz nutzen ließe. Außerdem müssten die Gründe für die auffällig hohe Fluktuation des hauptamtlichen Personals dieser Einrichtung […] aufgearbeitet werden, um […] die Geschichte der diversen Einflussnahmen zu rekonstruieren. […] Außerdem wäre eine ‚Kontrolle der Kontrolleure‘, um Seilschaften […] zu unterbinden. […] Die Rekrutierung von Gefälligkeitsgutachten müsste ausgeschlossn werden. [Es müssten auch] Foren geschaffen werden, in denen die Athleten die Möglichkeiten hätten, ihre Sicht der Dinge zu artikulieren, ohne Sanktionen ihrer Verbände befürchten zu müssen.“ […]

II Druckreduktion

[…] „Zunächst einmal wäre die Erfolgsabhängigkeit in der Zeitdimension strukturell zu lockern. […] Dazu gehörten in vielen Sportarten stabile, relativ erfolgsunabhängige Förderbedingungen, um das ökonomische Risiko der Sportler aufzugangen. […] Auch das Aussetzen der häufig anzutreffenden Strategie, die besten Sportler in kurzen Abständen immer wieder mit Der Notwendigkeit von Qualifikationsverfahgen für internationale Wettbewerbe zu konfrontieren, könnte devianzmildernde Wirkungen erzielen. […] Duale Karrierewege könnten optimiert werden, um den Athleten die Angst vor sportlichen Misserfolgen zu nehmen. […] In Bezug auf die Trainer lassen sich ähnliche Nöte identifizieren. […] Die Erfolgsabhängigkeit kommt in der Instabilität von Anstellungsverträgen zum Ausdruck. […] Um den massenmedial erzeugten Erfolgsdruck auf der Mikroebene zu mildern, müsste außerdem gezielt die Kooperation mit den Massenmedien gesucht werden. […]

Ärzte mit Dopingvergangenheit sollten keine Verbandspositionen einnehmen oder mit Kadersportlern kooperieren dürfen! […] Auch die bei einigen Sportmedizinern anzutreffende Häufung von Ämtern in wichtigen Entscheidungs- und Steuerungsgremien ist […] kritisch zu hinterfragen. […] Ein Verband darf kein Interesse daran haben, Sportmediziner nach rein sportlichen Gesichtspunkten zu instrumentalisieren und diejenigen des Feldes zu verweisen, die sich hiergegen wehren. […] Im Betreuungskontext des Spitzensports wäre es weiterhin wichtig, dem wachsenden Einfluss parawissenschaftlicher Betruungs-, Leistungssteigerungs- und Ernährungsvorstellungen strikt Einhalt zu gebieten. […] Ein derartiges Guru- und Geheimwissen entzieht sich der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit und setzt die Athleten der Gefahr einer Gesundheitsschädigung und ungewollten Dopingdiffamierung aus. [Zudem] müsste das Verhältnis von Sport und Politik neu überdacht werden. […]

Die olympischen Sportfachverbände sind seit Jahrzehnten durch das Bundesinneministerium in eine rigide Überprüfungslogik eingebunden, die Leistungen und Gegenleistungen von Sport und Politik genau verrechnet und Abweichungen penibel sanktioniert. […] Die problematische und eine Dopingneigung stimulierende Doublebind-Situation der Sportverbände ergibt sich aus dem Umstand, dass die Politik einerseits Sauberkeit und Dopingabstinenz von den Spitzenverbänden erwartet […], gleichzeitig aber ihre Zuwendungen von sportlichen Erfolgen und Medaillen abhängig macht. [Die] dem BMI übergeordneten und über die Mittelvergabe wachenden Kontrollorgane wie der Bundesrechnungshof hätten Evaluationskriterien zu entwickeln, die das BMI in die Lage versetzten, nicht nur auf Medaillen […] zu schauen. […]

Oft dienen präventive Maßnahmen [aber] nur der symbolischen Beschwichtigung. […] So kann die Effektivität einer Kontrolleinrichtung oder eine Anti-Doping-Beauftragten durchaus durch Ressourcenverknappung, Maßnahmen oder Kompetenzbeschneidung, Verzögerung der Strafverfolgung und Hineinreden in die operative Organisation des Dopingkampfes entscheidend reduziert werden.“ […]

III Legale Leistungsoptimierung und Wissensmanagement

[…] „Die Prüfung, ob legale Leistungsoptimierung so weit genutzt wird, wie es geht, ist […] ein aufwendiges Verfahren. […] Die strukturellen Bedingungen, die für das bisweilen defizitäre Wissensmanagement verantwortlich sind, wären zu eliminieren und neu zu gestalten. [Dies würde] den Athleten und ihren Trainern das Signal geben, dass der organisierte Sport bereit ist, die ihm zur Verfügung stehenden legalen Maßenahmen der Leistungssteigerung zu nutzen. […] Chancenreich erscheint die Strategie deshalb, weil [die internationalen Leistungsunterschiede] nicht selten darauf zurückzuführen [sind], dass Verwissenschaftlichung und Professionalisierung in erfolgreichen Sportnationen weiter fortgeschritten sind als bei der weniger erfolgreichen Konkurrenz. […] Insbesondere die Zusammenarbeit mit professionell ausgebildeten Sportpsychologen kann […] als vielversprechend gelten. […]

Weiterhin ließe eine Verbesserung der Talentauswahl und -förderung eine Leistungssteigerung der Athleten auf legalem Weg erwarten. […] So ist die deutsche Forschung zur optimalen Förderung sportlicher Höchstbegabung kaum mit der internationalen […] vernetzt. [Es] sollte auch darüber nachgedacht werden, die Trainingsqualität durch eine noch stärker ausgeprägte Verwissenschaftlichung der Trainerausbildung zu steigern. Auch heute noch wird allzu häufig nach überholten Prinzipien trainiert. […] So wäre beispielsweise ein Wissenstransfer nicht nur innerhalb einer Sportart und eines Verbandes […] zu organisieren und entsprechend zu belohnen, sondern auch zwischen den nationalen Spitzenverbänden.“ […]


IV Kollektives Lernen und ‚mehrsprachige‘ Intervention

[…] „Eine Reduktion der Dopingpraktiken ist nur dann erwartbar, wenn die ruinöse strukturelle Koppelung des Spitzensports mit anderen gesellschaftlichen Teilsystemen überwunden oder reduziert wird. Insofern ginge es darum, die […] Nutzungsverschränkungen des Spitzensports mit Medien, Politik, Wirtschaft und Publikum […] so zu transformieren, dass Druck in Richtung einer effektiven Dopingbekämpfung von innen ausgeht. […] Wie könnte ein Konstellationsgmanagement zwischen Publikum, Massenmedien, Wirtschaft, Politik und Spitzensport aussehen und funktionieren? […] Ein Konstellationsmanagement könnte […] nur funktionieren, wenn die beteiligten Akteurgruppierungen lernten, dass sie in Durchsetzung ihrer legitimen und rationalen Partikularinteressen auch unwissentlich an der Dopingproblematik betiligt sind und für Fehlentwicklungen im Spitzensport eine Mitverantwortung tragen. […] Nur durch den Hinweis, das eigene langfristige Nutzenerwartungen in Gefahr stehen, können Akteure dazu gebracht werden, auf Informationen von außen zu reagieren. […]

Was könnten die externen Bezugsgruppen nun konkret tun? […] Staatliche Instanzen könnten durch ihre Zugriffsrechte auf Geldmittel gezielte Anreize für ene ernsthafte Dopingbekämpfung setzen und die Vergabe der Fördermittel an faktisch geleistete Maßnahmen der Dopingbekämpfung koppeln oder dem Sport durch ein scharfes Anti-Doping-Gesetz dabei helfen, an die Hintermänner der sich dopenden Athleten heranzukommen. […] Die Medien hätten das Sportgeschehen durch eine entsprechende Informationsübermittlung in Gestalt einer kritischen und investigativen Sportberichterstattung zu kommentieren. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten […] könnten durch gezielte Vegabe von Übertragungsrechten eine sportinterne Fügsamkeit in Sachen Dopingbekämpfung durchsetzen. Ansätze derartiger Intervention hat es nach publik gewordenen Skandalen im Boxen und im Pferdereitsport gegeben. […]

Befürchtungen, dass Maßnahmen dieser Art die Autonomie des organisierten Sports gefährden, sind abwegig, weil der organisierte Sport mit der alleinigen Bearbeitung eines transintentionalen Konstellationsphänomens, wie Doping es darstellt, eindeutig überfordert ist. […] Viele Sportverbände benutzen bis heute die Autonomie-Idee, um nichts oder nur wenig gegn Doping zu unternehmen. ollektiv erzeugte Probleme können aber nur kollektiv gelöst werden.“ […]

V Intersystemischer Diskurs und Global Governance

„Eine aussichtsreiche Methode für eine kollektive Bearbeitung des Dopngproblems im Sinne eines innersystemischen Diskurses ist das im Nationalen Dopingpräventionsplan bereits aufgegriffene Konzept des ‚Runden Tisches‘. […] Zunächst ist [aber] davon auszugehen, dass die Einsicht der Konstellationsakteure in die eigene Verstricktheit in das Dopingproblem noch nicht weit verbreitet ist. […] Der bisherige personenfixierte Umgang mit Doping, der sich seit Jahrzehnten ‚bewährt‘ hat, hilft dabei, das Problem auf den Sport und dessen Akteure abzuschieben und die eigenen Verstrickungen und Handlungsdilemmata unthematisiert zu lassen. Sowohl Sponsoren und politische Finanzgeber als auch Massenmedien und Publikum wehren sich energisch dagegen, beim Dopingthema in irgendeiner eeise mitgemeint zu sein. […] Doping ist das Resultat multipler, durchaus unübersichtlicher Vestrickungen, und nicht das Ergebnis weniger Einzelentscheidungen, die untereinander intentional abgestimmt worden wären. […]

Erschwerend für die erfolgreiche Etablierung eines Anti-Doping-Paktes kommt außerdem hinzu, dass diverse Teilgruppen von Akteuren, beispielsweise einzelne Medienanstalten oder Wirtschaftunternehmen, untereinander in schärfsten Konkurrenzbeziehungen stehen und daher nicht alle gleichzeitig an einem Strang ziehen. […] Verhandlungsberit seind Akteure in der Regel nur dann, wenn sie mögliche positive Ergebnisse für sich selbst antizipieren. Wenn sie hingegen Nachteile erwarten, wird ihre Verhandlungswilligkeit eher niedrig ausfallen. […] Ein weiteres Hemmnis liegt in der Schwierigkeit begründet, das Konstellationsmanagement im Weltmaßstab zu institutionalisieren und zu synchronisieren. […] Die Uneinsichtigkeit der außersportlichen Akteure im nationalen Kontext verdoppelt und verstärkt sich demzufolge durch ihre Uneinsichtigkeit auf der internationalen Ebene. […]

Nach wie vor ist der organisierte Sport ein Lobbyist, der politischen Akteuren auch deshalb sendungsbewusst entgegentreten kann, weil sportliche Groß- und Serienereignisse das Publikum faszinieren und begeistern. Wer hier zu scharf interveniert und bereit ist, die nationale Heldenquote zu reduzieren, könnte, so offensichtlich die Meinung nicht weniger politischer Akteure, bei den nächsten Wahlen empfindlich abgestraft werden. […] Nach dem Rückzug des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aus der Live-Berichterstattung bei der Tour de France im Jahre 2007 […] wird inzwischen wieder munter weitergesendet. […]

In der ohnehin finanziell und personell nicht üppig ausgerüsteten Dopingpräventinoslandschaft zeigt sich ein Übergewicht zugunsten einer Pädagogisierung und Moralisierung des Geschehens, wohl auch deshalb, weil die Effekte, die hierdurch hervorgerufen werden können, überschaubar sind und die Abläufe in den Verbänden nicht sonderlich stören. […] Der Anreiz, den Anti-Doping-Kampf lediglich auf kleiner Flamme weiterzuführen und sich mit den üblichen pädagogischen Präventionsinitiativen, Ich-Stärkungsritualen und Aufklärungsmaßnahmen zufriedenzugeben, ist nach wie vor sehr groß.“

[Nur weil ich die Empfehlungen sehr ausführlich dokumentiere, heißt das nicht, dass ich in allen Punkten zustimme. Ich diskutiere gerne darüber.]

Foto unter CC-BY-SA-Lizenz von s.media / pixelio.de

  1. 5. Mai 2012 -

    Zu bescheiden, Daniel: „Mini“-Serie? Ein feiner, gelungener und substanzieller Überblick.

    Was diesen, den dritten Teil angeht, habe ich ein Problem mit dem Ausgangssatz, dem Druck, der da vermeintlich ausgeübt wird:

    Auf BMI und DOSB, weil sich Wirtschaft, Medien, Politik und Publikum immer stärker auf Sieger stürzen und den Rest links und rechts liegen lassen.

    Würde ich als Verkennung einordnen oder zumindest fragen, wie denn der Druck beschaffen ist, dem das BMI, als Teil der Politik und Finanzier des Spitzensports, ausgesetzt ist? Ob es nicht zuerst ein selbst erzeugter ist, der aus dem überholten Sportverständnis resultiert, das Medaillen als „Ausweis des Leistungsvermögens eines Volkes“ (so hat es mal Innenminister Kanther formuliert) begreift? Heute heißt das zurückhaltender: staatliche Repräsentation.
    Die Frage wäre also, ob man dies nach Ende des Kalten Krieges (oder etwas weiter zurück: sportlicher Wettkämpfe als Ersatzkrieg) noch als ein irgendwie zeitgemäßes Sportverständnis betrachten kann?
    Meiner Meinung nach: Nein. Demokratien können anders glänzen als durch vordere Plätze in Medaillenspiegeln, erzielt bei Spektakeln, die von einer auch noch in weiten Teilen korrupten Unterhaltungsindustrie organisiert werden. Und Politiker anders als durch Umhalsungen in Kabinen oder auf Ehrentribünen.

    Dieser Druck existiert also – meiner Meinung nach – überhaupt nicht. Was existiert, ist: eine Simulation von Politik.

  2. 5. Mai 2012 -

    Ivh halte die Orientierung an Medaillen, die ’staatliche Repräsentation‘ auch mit für das größte der aufgeführten Probleme. Aber ich finde Bette merkt zurecht an: Das BMI muss die effektive Verwendung von Steuergeld nachweisen. Da ist Medaillenzählen wohl am einfachsten. Und: Würden Medien und Publikum mitziehen, falls (jetzt mal hochtheoretisch) das BMI doch nicht mehr Medaillen sammeln geht? Ich glaube nicht.

  3. 5. Mai 2012 -

    Käme auf den Versuch an. Das Parlament ist entscheidend. Und ich würde meinen, dass sich der Erkenntnisgewinn bezüglich des Spitzensports und seiner Verwerfungen in den letzten zwei Jahrzehnten ausreichend vermehrt hat, dass es nicht zwingend als Verschwendung von Steuergeldern betrachtet würde, wenn der Platz im Medaillenspiegel einer ist, der etwas weiter unten liegt. Nicht einmal mehr bei den Sportlobbyisten im zuständigen Ausschuss.
    Was da selbsttätig vom BMI verursacht ist, zuerst mit dem Förderkonzept 2000 (das damals, Mitte der 90er, gegen den Widerstand des Sports durchgesetzt wurde und Fördergeld erstmals an Erfolge band – im Übrigen auch, weil man meinte, nach der Wiedervereinigung beinahe unschlagbar zu sein), nun mit den Zielvereinbarungen, wird ja daran deutlich, dass letztere geheim sind, sogar vor dem Parlament.

    Das ist eine Frage der Mentalität, die noch aus dem Kalten Krieg kommt. Und da liegt, das ist ja oben gesagt, der (jedenfalls politische) Kern des Dopingproblems. Bette et al – und das ist ein wichtiger Vorschlag – geben ja die Anregung, andere Kriterien für die Verteilung der Fördergelder zu entwickeln. Dafür müsste aber zuerst einmal von dieser Mentalität Abschied genommen werden: staatliche Repräsentation, schon im Jugendbereich, durch Medaillen.

  4. 5. Mai 2012 -

    Medien und Publikum und deren eventuelles oder tatsächliches Unterhaltungsbedürfnis sind auch die falschen Maßstäbe. Politik ist ja nicht dazu da, zu unterhalten mit Medaillen, die immer fragwürdiger werden.
    Sie ist immer dafür da, zu ermöglichen. Ganz bieder formuliert für diesen Bereich: Sportausübung auf Spitzenniveau. Hinzufügen muss man: möglichst ohne Betrug.

    Sie regt aber mit diesem Födersystem – so kann man es jedenfalls sehen – eher an zum Betrug, mal abgesehen von den sportimmanenten Aspekten dabei.

  5. 5. Mai 2012 -

    Das mit dem Erkenntnisgewinn sehe ich als gutes Argument. Das mit dem Förderkonzept 2000 muss ich mir mal genauer ansehen. Danke für deine Kommentare, die werten den Beitrag auf.

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