Daniel Drepper

Triathlon als Statussymbol: Ein Ironman für den Lebenslauf

Panorama beim Triathlon in Butzbach. Fotos: Daniel Drepper

Panorama beim Triathlon in Butzbach. Fotos: Daniel Drepper

Ich laufe seit zehn Jahren, seit einigen Jahren mache ich Triathlon. Regelmäßig stehe ich bei Wettkämpfen am Start. Da macht man so seine Beobachtungen. Vor zwei Jahren habe ich über den deutschen Triathlon-Boom berichtet – unter anderem für Zeit-Online, Welt am Sonntag und Deutschlandfunk. Ich finde den Text in weiten Teilen noch immer aktuell. Folgende Version ist damals auf zeit.de erschienen. Ein Flauschbeitrag zur Weihnachtsurlaubszeit.

Triathlon ist in, Triathlon ist cool, Triathlon ist trendy – das zeigt die Veranstaltung im westfälischen Münster. Vor Jahren dienten die Osmo-Hallen in Münster als Holzlager am Hafen. Kräftige Männer arbeiteten körperlich für ihren Lohn. Heute quälen sich hier mehrere Hundert Hausfrauen, Studenten und Schreibtischtäter. Mit Badekappe, Rennrad und Laufschuhen, heute ist hier Triathlon.

Wechselzone und Zieleinlauf sind überdacht, ein Stimmungskessel. Die etwa 7000 Zuschauer stehen auf den letzten Metern in Vierer-Reihen, für die Sportler ist ein roter Teppich ausgelegt, Musik wummert durch die Halle. Das kommt an.

Bei der Anmeldung bricht der Server zusammen
Im zweiten Jahr ihres Triathlons verdoppelten die Münsteraner Veranstalter ihre Startplätze. Doch als die Online-Anmeldung im Februar, vier Monate vor dem Start, freigeschaltet wurde, brach der Server zusammen. Wenig später der zweite Versuch – der zweite Kollaps. Erst im dritten Anlauf hielt das System dem Ansturm stand: Nach nur 20 Stunden waren die gut 1000 Plätze ausgebucht.

Ein Beispiel von vielen. Wer 2010 bei einem Triathlon starten will, sollte besser heute als morgen die Anmeldung verschicken. Auch in Hamburg, wo am Wochenende der größte Triathlon der Welt stattfindet, geht für dieses Jahr schon seit langem nichts mehr. Langdistanz-Rennen kosten heutzutage mehrere Hundert Euro Startgeld und doch sind die Teilnehmerlisten meist schon weit im Voraus geschlossen.

Ist Triathlon der neue Marathon?
Während viele Marathons über stagnierende oder rückläufige Zahlen klagen, scheint die Begeisterung für den Triathlon ungebremst. Dirk Brandewinder ist Vizepräsident Breitensport der Deutschen Triathlon Union (DTU) und kann den Anstieg von Startmöglichkeiten und Teilnehmern bestätigen. Zwar liegen der DTU erst im Herbst genaue Zahlen vor, „aber es gibt einen klaren Trend“. So habe die DTU zum Beispiel einen deutlichen Mitglieder-Zuwachs. „Dabei startet die Masse der Starter ja bei Volksdistanzen und Staffeln ganz ohne Startpass“, sagt Brandewinder.

Für Sportwissenschaftler Kuno Hottenrott ist Triathlon definitiv keine Randsportart mehr. „Die Sportart ist in breiten Bevölkerungsschichten akzeptiert und es gibt eine Vielzahl von Neueinsteigern.“ Der Ironman, vor ein paar Jahren noch Herausforderung für Auserwählte, werde heute zur Massensportveranstaltung. Marathon-Dimensionen nehme dies zwar noch nicht an, doch werde der Ausdauer-Dreikampf zur echten Alternative.

Das merkt auch Claudius Pyrlik, Ex-Profi und Veranstalter mehrerer Triathlons in Hessen. Dank der deutschen Erfolge beim Ironman Hawaii, der WM in Hamburg und den Olympischen Spielen in Peking, muss er Behörden und Sponsoren seinen Sport nicht mehr erklären. „Früher kam direkt die Frage: Macht man das nicht nur im Winter?“ Heute habe dagegen fast jeder einen Triathleten im Bekanntenkreis.

Triathlon unter Sponsoren beliebt
Längst ist der junge Sport auch für Sponsoren von Interesse. Die Agentur pilot nahm den Triathlon 2009 erstmals in ihre jährliche Sportmarketing-Studie Sponsor Visions auf, mit überraschendem Ergebnis: Platz fünf unter den Sportarten mit dem größten Potenzial. „Wir haben große Sportsponsoren wie Mercedes oder Telekom genauso befragt wie Agenturen und Sportvermarkter“, sagt Christine Angenendt, Direktorin für Marktforschung. „40 Prozent gehen davon aus, dass Triathlon für Sponsoren in Zukunft noch wichtiger wird.“

Wie groß das Interesse an einer speziellen Nische ist, lässt sich am Erfolg ihrer Produkte bestimmen. Frank Wechsel ist Herausgeber der Zeitschriften triathlon und triathlon training und profitiert vom Aufstieg seiner Lieblings-Sportart. Wechsels Special-Interest-Magazine sind zusammen bereits mit etwa 60.000 Exemplaren bei der IVW gemeldet, welche die Reichweite von Medien für Anzeigenkunden misst. „Vor zehn Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass es Triathlons mit über 1000 Teilnehmern gibt, heute schaffen das manche bei der Premiere. „Die Bewegung habe an Breite gewonnen, die Szene habe sich professionalisiert.“

Zu sehen ist dies am Wochenende beim Triathlon, der in Hamburg WM-Rennen mit Jedermann-Starts verbindet. Christian Toetzke von der Agentur upsolut organisiert den Triathlon und glaubt, die Sportart stehe „erst am Anfang der Entwicklung“. Denn: Innerhalb von fünf Jahren stieg die Zahl der Teilnehmer in Hamburg von 2700 auf 8600. Und es möchten noch viel mehr dabei sein.

Claudius Pyrlik.

Claudius Pyrlik.

Kritischer gibt sich Claudius Pyrlik, Gründer der Triathlon-Firma first wave. Zwar merkt auch Pyrlik, dass sich immer mehr Deutsche im Triathlon probieren, doch gebe es auch immer mehr Startmöglichkeiten. „Im Moment wird die Schraube extrem nach oben gedreht. In zwei, drei Jahren wird es einen Knall geben“, sagt Pyrlik. Vor allem neue Veranstalter würden sich dann umgucken.

Die Masse an Angeboten laufe Gefahr, die Nachfrage zu übersteigen. Ein Beispiel? „Am 6. September finden im Umkreis von 200 Kilometern zwölf Veranstaltungen statt – das ist einfach too much.“ Das Problem der Übersättigung kennen auch Lauf-Veranstalter. Marathons nehmen sich gegenseitig die Teilnehmer weg, Volksläufe müssen zum Teil mehr als ein Jahr im Voraus angemeldet werden, damit sich die Termine nicht allzusehr überschneiden.

Eine „Lifestyle-Geschichte“
Deutschland, das Triathlon-Land. Aber warum? Natürlich: Gesundheit, Fitness, Wohlbefinden. Und auch der Trend weg vom Verein, hin zum Individualsport. Der Sportler ist unabhängig, das Training effektiv, all das. Aber es steckt mehr dahinter. Für Ex-Profi Claudius Pyrlik ist die aktuelle Faszination eine „Lifestyle-Geschichte“, wie er es sagt. „Einmal einen Ironman im Portfolio zu haben, das ist mittlerweile das, was früher der Marathon war.“ Triathlon sei oft der Versuch, „sich durch eine Sportart den Touch des Außergewöhnlichen zu geben“.

Rasierte Beine, braune Arme, teure Räder und viel Zubehör – Triathlon als Sport für die Schönen und Reichen. Triathlet zu sein ist laut Sportwissenschaftler Hottenrott für viele ein Statussymbol und oft auch etwas für den Lebenslauf. Wer hier den Ausdauersportler erwähnt, zeige Ehrgeiz und Ausdauer. Und als Triathlet noch die Fähigkeit zum optimalen Zeitmanagement.

Das Problem: Auch wenn die meisten Respekt vor dem Schwimmen und dem Wechsel vom Rad in die Laufschuhe haben, unterschätzen viele die Belastung. Bei kurzen Distanzen ist das kein Problem, „aber beim Ironman hört der Spaß auf“, sagt Claudius Pyrlik. Der Ex-Profi schreibt auch Trainingspläne für Anfänger. „Und ich habe nicht selten Leute hier stehen, die sind Anfang 40, haben noch nie im Leben Sport gemacht, schleppen 20 Kilo zu viel mit sich rum und wollen nächstes Jahr einen Ironman machen.“ Triathlet im Lebenslauf? Ja. Aber laufend leben wie ein Triathlet? Nein danke.

Übermorgen wird es hier einen Gastbeitrag zu einem ähnlichen Thema geben.

Kontakt: daniel.drepper (ät) gmail.com // 0176 611 96 014

  1. 20. Dezember 2011 -

    Jetzt bin ich sehr neugierig…Von wem ist denn der Gastbeitrag?

  2. 20. Dezember 2011 -

    Ha!! Es hat gewirkt! Sei gespannt :) Wenn du Lust hast, darfst du auch gern mal einen schreiben, dann mach ich länger frei…

  3. 20. Dezember 2011 -

    Habe deinen Text mal wieder nur überflogen, aber die Kommentare lese ich mir immer durch und nun bin ich auch gespannt :)

    Nein, nein. Natürlich lese ich jeden Satz, schöner Text, weiterhin.

    Ja, Anja blog mal mehr!

  4. 20. Dezember 2011 -

    Hachja, der Knall, den es geben soll. So richtig ist der ja immer noch nicht eingetreten, dabei müsste es doch angeblich genau jetzt passieren. Der T3 hat letztes Jahr eine super Premiere gefeiert, der Tri-Pfalz will jetzt nachziehen. Das einzige Durchgeknallte: Dass 2012 drei große Rennen – Roth, Frankfurt, T3 – auf dem selben Tag liegen…

  5. 20. Dezember 2011 -

    Ich bin auch erstaunt, wie es weiter aufwärts geht. Und wie unverschämt teuer manche – trotzdem ausgebuchte – Großveranstaltung sein kann. 75 Euro für eine Sprintdistanz… Unglaublich!

  6. 20. Dezember 2011 -

    „Blog mal mehr“ – klingst fast wie meine Mutter, nur die sagt immer „Schlaf mal mehr“ ;)

  7. 22. Dezember 2011 -

    […] gab’s meine Beobachtungen zur Triathlonszene. Auch Lars Terörde hat beobachtet. Lars ist treuer Leser dieses Blog und schreibt in seiner […]

  8. 25. Januar 2012 -

    Ich bin nun mehr auch seit 13 Jahren mit Triathlon verbunden (Ich sage immer 2. Generation ;-) ..nach der Kronenliga…)… Was zur Zeit aber geschieht hat mich eher bewogen eine längere Wettkampfpause einzulegen, Im Moment halt ich die Wettkäpfe für Profilneurotikerveranstaltungen (Stichort Zeitfahrhelm) Zudem sind STrecken komplett überlastet (drafting) ?!? Ich bin der gleichen Meinung wie Claudius das es irgendwann in naher Zkunft einen Knall geben wird. Mit der Meinung macht man sich aber heutzutage keine Freunde. Ich halte es im Moment auch für einen Trend. Und wie das mit Trends so ist….

    • 25. Januar 2012 -

      @Michael

      @Michael: Ich bin noch nicht so lange dabei (zehn Jahre Laufen, knapp fünf Jahre Triathlon), sehe das aber zumindest in Teilen ähnlich. Vor allem die übersteigerten Startgelder dürften meiner Meinung nach irgendwann als Boomerang zurückkommen.

  9. 26. Januar 2012 -

    Ich bin beruight. Ich bin nicht alleine!
    Kleine Anekdote: bei meinem ALLERLETZEN Kraichgau Rennen 2010 bin ich wo ich bewusst! in der letzten Startgruppe gestartet bin hab ich einen Midlifecrisisgeschädigten überholt.
    Zeitfahrhelm, Kompressionsarmlinge- und socken, zündhaft teures Fahrrad (Plastik ;-)) und 15 Kg Übergwicht. Der Kompressor war nicht zu übersehen.
    Ich hab mir das ein paar sec. angeschaut, weil ich wirklich 2 mal hingucken musste, hab meinen Kopf geschüttlet und bin weiter.
    Therapieürdig ;-)…

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