Daniel Drepper

Play the Game – Tag 3 (Liveblog) Das Doping-Problem


[9.19 Uhr, Daniel – Presseraum] Anja und Jonathan sitzen schon drüben bei Sporting Sexuality und Spornofication. Ich muss noch etwas arbeiten und steige später ein. Heute geht es vor allem um Doping. Welche Reformen braucht die WADA? Angekündigt sind Wilhelm Schänzer, Hajo Seppelt, Perikles Simon und Walter Palmer, der wohl die NADA-Datenschutz-Kläger vertritt: Palmer ist Generalsekretär der Basketballer-Vereinigung SP.IN. Später folgen weitere Sessions zu Problemen der Doping-Bekämpfung und zum Technik-Doping. Außerdem stellt sich die Frage: Was muss und was kann sich in Brasilien noch verändern vor der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Sommerspielen 2016?

[9.35 Uhr, Anja – Little Difference, Huge Impact: The Gender Challenge to Sport] Der dritte Tag der Konferenz „Play the game“ beginnt mit vielen, vielen Bildern von halbnackten Frauen und Männern und der Kritik am Sportsystem, das ebensolche dafür missbraucht, Aufmerksamkeit zu generieren*: „Little Difference, Huge Impact: The Gender Challenge to Sport“ heißt der erste Themenblock heute. Kollege Daniel Drepper recherchiert im Hintergrund, Jonathan Sachse sitzt tapfer neben mir und verkneift sich billige und auch sehr billige Witze in seinem morgendlichen Blogeintrag. Weiter geht’s heute außerdem mit der Frage: Was muss und was kann sich in Brasilien noch verändern vor der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Sommerspielen 2016?

*Bei einem Blog ist das natürlich etwas anderes.

[9.40 Uhr, Daniel – Links] Das heutige Programm gibt es bei Play the Game als pdf. Es lohnt sich, nochmal reinzuschauen, denn es ändert sich zumindest in Teilen täglich. Auf der Konferenzseite von Play the Game gibts alle übrigen Informationen inklusive zahlreicher Präsentationen zum Download. Sehr schöne Fotos gibts von Play the Game bei Flickr. Außerdem ist der Livestream wieder aktiv.

Watch live streaming video from playthegame_dshs at livestream.com

Wer nochmal nachschauen will, ältere Vorträge gibt es auf Abruf.

[9.48 Uhr, Daniel – In eigener Sache]
Wir sind schon ein paar Tage hier. Mit mir bloggen Anja Perkuhn und Jonathan Sachse. Die Liveblogs von den ersten zwei Tagen und der Sportjournalismus-Konferenz des Deutschlandfunks:

 

[10.20 Uhr, Anja – Daniela Schaaf & Jörg-Uwe Nieland „From sexualization of sport to spornofication“] Daniela Schaaf und Jörg-Uwe Nieland von der Sporthochschule Köln haben die Entwicklung der Sexualisierung von Sportlern so rational wie so etwas möglich ist wissenschaftlich aufgeschlossen. „Pornostars und Sportler haben viel gemeinsam“, sagt Schaaf. Sie sind berühmt, müssen für ihren Beruf auf ihren Körper achten – und sie brauchen Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeit brauche aber immer größere Stimuli, um jemandem oder etwas auch Aufmerksamkeit zu schenken. Der Sportler an sich müsse sich deshalb immer mehr als „homo sportivus erectus“ darstellen (Krüger 2009). Der nächste Schritt in dieser Entwicklung ist: „Sporno“.

Schaaf und Nieland haben diese Entwicklung in einem fünfstufigen Modell beschrieben. Von sexuell aufgeladenen Bildern von Sportlern (David Beckham darf sich hier als Pionier bezeichnen) zu eindeutigeren Fotos wie der Kampagne „Stade Francais Paris“ des französischen Rugby-Teams. Auf den Bildern sind die Spieler so dargestellt, als wäre es zumindest möglich, dass sie nicht heterosexuell sind. Ähnlich wie das australische Footballteam etwas später erklärten sie, sie seien zwar nicht homosexuell, „aber die Athleten flirten eindeutig mit der Gay-Community“. (Schaaf) Zu der Entwicklung gehören ebenfalls Einschnitte wie die Änderung im Dresscode bei den Beachvolleyballerinnen (die Bikini-Höschen der Spielerinnen dürfen an der Seite nicht breiter als 7 Zentimeter sein).

Schaaf und Nieland führten außerdem neu erfundene sexualisierte Sportarten wie die „Lingerie Football League“ an, ebenso die Forderung, Pole Dance (nachdem es auch eine offizielle Weltmeisterschaft in dem Stangentanz gibt) auch als olympische Sportart aufzunehmen.

Der finale Schritt der „Spornofication“ ist der Fakt, dass Sport sowohl als Subjekt als auch als Umgebung für Pornos verwendet wird – zum Beispiel in der abgeschwächten Version bei den „Sexy Sportclips“ aus dem Nachtprogramm des dann-nicht-mehr-so-sehr-Sportsenders Sport1 (früher DSF) aber auch in Hardcore-Pornos.

„Spornofizierte Athleten sind negative Vorbilder“, resümiert Nieland. Man müsse sich also überlegen, was man tun könne und müsse, um diese Entwicklung aufzuhalten.

[10.35 Uhr, Jonathan – Doping-Foto] Das Programm des Tages ist die perfekte Gelegenheit, um endlich ein Bild einer Sportkneipe online zu stellen, die direkt neben der Sporthochschule mit einer billigen Namensgebung die Dopingspezialisten vor Ort zu cashen versucht.

/ Foto: Jonathan Sachse

/ Foto: Jonathan Sachse

[10.47 Uhr, Jonathan – Tine Rindum Teilmann „Women on the top, a challenge for men“] Mit einem Zitat des japanischen IOC-Mitglieds Mr. Igaya beginnt Teilmann (IOC Frauen in Sport Sport Kommission) ihre Präsentation:

“Strong male leader can change the percentage of women in leadership”

Diese Aussage bildet aus ihrer Sicht die Einstellung vieler Männer in den Sportverbänden ab. Obwohl die Geschlechterverteilung generell im Sport ausgeglichen ist, gelingt es nur einer Minderheit der Frauen in Führungspositionen vorzustoßen. Hier setzt sie an: Warum ist es wichtig, mehr Frauen in als Entscheidungsträger im Sport zu verankern?

Ein ausgeglichene Geschlechter-Quote würde aus ihrer Sicht helfen, für mehr Offenheit, Transparenz und bessere Entscheidungen in den Verbänden zu sorgen. Viele Frauen würden in ihren sportlichen Tätigkeiten motiviert werden, mehr Spaß am Sport und Selbstvertrauen entwickeln.

Teilmann stellt zwei Beispielprojekte vor, die das Problem angehen. An dem dänischen Pilotprojekt “Women on the top” beteiligten sich zahlreiche dänische Sportverbände (Leichtathletik, Handball…). Ein Ziel: Bis zum Jahr 2011 sollten in diesen Verbänden mindestens 33% Frauen in Führungspositionen vertreten seien. Mit gezielten Management-Schlungen, PR-Arbeit und der Kooperation mit externen Partnern gelang die Umsetzung nur teilweise. Immerhin drei Verbände (Taekwando, Schwimmen+1?) arbeiten mittlerweile mit der angesprochenen Frauenquote. Als zweites Beispiel nennt sie das EU-Projekt WILD (women international leadership development). Wer sich einlesen will, findet hier eine Erklärung.

Zwei Initiativen, die aus Teilmanns Sicht einen möglichen Weg aufzeigen. Dennoch: Viele Männer stehen für der großen Herausforderung ihren eigenen Ego zu überwinden. Erstens müssen sie überhaupt Platz machen. Zweitens in ihrer Empfehlung für einen Nachfolger auch weibliche Kandidaten empfehlen.

[10.50 Uhr, Anja – Tatiane Hilgemberg „The Brazilian Media is Preoccupied with the White Elephants?“]
Tatiane Hilgemberg, Professorin an der Federal University of Juiz de Fora, spricht über den großen Einfluss von Großevents wie der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Sommerspielen 2016 in Brasilien. Sie spricht von der Aufmerksamkeit, die solche Events auf ein Land lenken – „und deshalb sitzen wir ja zum Beispiel auch gerade hier“ – und darüber, für welche Themen die Aufmerksamkeit der Medien am Ende ausreicht.

Eine Medienanalyse der Online-Berichterstattung über die Wahl von Rio de Janeiro zur Ausrichterstadt der Spiele 2016 zeigt: Den größten Teil der Berichterstattung machen Texte über mit dem Projekt verbundene investierte öffentliche Gelder und Regierungsprogramme aus (annähernd ein Drittel), auch die Bewerbungs-Kampagne der Stadt war sehr oft und deutlich dargestellt. Kontroversere Themen wie eventuelle Probleme mit der Infrastruktur oder die bereits in den vergangenen Tagen öfter erwähnten „weißen Elefanten“ – also die Neubauten, die extra für ein Großevent in die Landschaft gestellt werden, aber deren zukünftige Verwendung noch nicht feststeht – wurden auch behandelt, „aber nicht mit der gleichen Intensität, wie die anderen Themen“.

[11.11 Uhr, Daniel – Isabela Ledo „Rio de Janeiro 2016 Olympics: exploring tensions between global and local demands“] Isabela Ledo studiert Stadtplanung und verfolgt vor allem die Pläne zur Umsiedlung der Bewohner des Olympiageländes. Einer der offiziellen Grundsätze Olympias: Den Gastgebern ein gutes Erbe zu hinterlassen. Was die soziale Inklusion, die Verbesserung der Lebensumstände der ärmeren Bevölkerung angeht, scheint Olympia in Rio 2016 eher negative als positive Effekte zu haben.

Offiziell soll sich der Wohnungsmarkt in Rio durch die Olympischen Spiele entspannen. 2009 fehlten 136.345 Wohnungen in Rio, sagt Ledo. Für 2016 sollen etwa 12.000 Zwei-Raum-Wohnungen entstehen, das wären 8,8 Prozent des bestehenden Defizits. 90 Prozent der bisher fehlenden Häuser fehlen Menschen aus der untersten Einkommensschicht. Und die neu zu bauenden Häuser sehen ehrlich gesagt nicht wirklich billig aus. Allerdings sagen die Planer, soll es auch Sozialwohnungsprojekte in den Slums geben und es sollen tatsächlich Häuser entstehen für Leute, die ihre Wohnungen wegen der olympischen Baumaßnahmen verlieren. Aktuell gibt es allerdings erst ein fertiges Projekt mit 22 Wohnungen, das bislang Leute bewohnen, die wegen Umweltkatastrophen ihre Wohnugnen verloren haben.

Grundsätzlich besteht das Problem zwischen Imagepflege Brasiliens und den Interessen von privaten Investoren. Bislang gibt es offenbar keine detaillierten Planungen, wie und wo die umzusiedelnde, oft sehr armen Menschen, hinsollen. Viele von ihnen wohnen offenbar bislang in Naturschutzgebieten. Ledo sagt:

  • Bislang gibt es keine Schätzungen, wie viele Leute wegen Olympia umgesiedelt werden müssen.
  • Bislang sind die meisten Betroffenen nicht informiert.
  • Bislang wird erst ein einziges Sozialwohnungsprojekt gebaut – und das hat nicht einmal eine echte Verbindung zu den Plänen für die Olympischen Spiele

Ledo berichtet, dass gestern in einer der größten Zeitungen der Region ein Plan veröffentlicht wurde, den die Regierung offenbar diese Woche präsentieren will. Obwohl sich Ledo seit langem mit der Situation befasst, hört sie zum ersten Mal von diesem Plan. Ihr Fazit:

  • Es ist längst nicht sicher, ob die soziale Inklusion funktioniert. Vor allem eine Verbesserung der Vorher-Situation scheint eher unwahrscheinlich
  • Die langfristigen Stadtplanungsvorhaben von Rio de Janeiro und den Olympiaplanern unterscheiden sich stark, vor allem mit Blick auf die sozialen Aspekte
  • Es gibt bislang keine relevante Bürgerbeteiligung, die Leute sind nicht informiert
  • Finanziell profitieren werden offenbar vor allem Investoren, die sozialen Aspekte scheinen eher zweitrangig

Die letzten zwei Punkte ihres Fazits habe ich leider nicht mehr mitbekommen. Dafür hat Isabela Ledo in der sich anschließenden Diskussion nochmal nachgelegt. Sie hatte sich am Vortag mit UN-Sport-Botschafter Willi Lemke unterhalten Darauf angesprochen sagt Ledo:

„Willi Lemke ist offenbar etwas naiv. Ich bin mit ihm durch die Slums in Rio gegangen. Er war vorher bei den Politikern und ich hatte das Gefühl, er wurde etwas gebrainwashed. Er geht davon aus, dass die Leute mit den Umsiedlungen glücklich sind. Dabei werden die Leute oft nach weit draußen umgesiedelt. Die Politiker haben ihm wohl einen Plan gezeigt, den niemand vorher gesehen hat, auch ich nicht. So ein Planungsprozess sollte mit einer starken Bürgerbeteiligung ablaufen. Da haben Herr Lemke und ich wohl Unterschiedliche Standpunkte. Die Entscheidungen sind gefallen, aber man bekommt keine Informationen. Ich wollte mit den Menschen sprechen, die die Olympia-Siedlungs-Pläne gemacht haben, aber sie wollten mir keinerlei Informationen geben. Die gestern in der Zeitung veröffentlichten Pläne sind offenbar vom Himmel gefallen. Die soziale bewegung wird stark werden, die Leute werden stärker, aber ich denke, das da trotzdem nichts passieren wird.“

[12.00 Uhr, Anja – Kimberly S. Schimmel „Global Sport Events/Local Impact: Reconstituting and Securing Urban Space“] Als Stadt hat man nicht viele Möglichkeiten, sagt Kimberley S. Schimmel: Entweder ist man ein guter Ort oder nicht. Ein Ort, an dem Menschen leben möchten, oder nicht. In dem Moment, in dem eine Stadt ein Sportevent ausrichten will, ist das aber nicht so einfach: Solche Veranstaltungen verändern das Gesicht einer Stadt und bergen mehrere Risiken.

Der Name der Stadt wird Stellvertreter für ein Ereignis – das kann gutgehen, aber auch zu einer Stigmatisierung werden, wie zum Beispiel bei den Olympischen Spielen 1972 in München geschehen. „Beim Filmtitel brauchte man nicht einmal mehr das Jahr, der Name reichte aus“, sagt Schimmel.

Außerdem bringe die Entwicklung einer Sport-Infrastruktur keinerlei Entwicklung und keinen wirklichen Nutzen für die Stadt als Ganzes. Stadtteile, die profitabel sind und zum Eventkomplex gehören, würden unter Umständen sogar polizeilich geschützt (sie zeigt ein Bild vom „Nest“ in Peking aus dem Jahr 2008) und als potenzielle „Terroristenziele“ betitelt. Riesige neue Einkaufszentren, No-Go-Areas und ähnliche Konstrukte machten aus den Gebieten um solche Sportkomplexe herum „solche, die nicht in eine funktionierende Stadt passen.“

Die Städte, sagt sie, könnten sich meist trotzdem nicht diesen Vorgängen entziehen (nachzulesen auch in ihrer Präsentation „Sports Mega-Events and Global Urban Marketing Selling“, die sie bei Play the Game 2007 bereits vorgestellt hat). Schließlich geht es ja darum, ein guter Ort zu sein.

[12.19 Uhr, Daniel – Atmosphäre] Der Sportinsider hat kommentiert: „Wie ist die Stimmung unter den Journalisten? Gibt es in den Pausen kontroverse Diskussionen? Wie ist generell die Atmosphäre vor Ort? Wie ist die Unterkunft und Verpflegung im Detail?“ Wir versuchen nach und nach etwas einfließen zu lassen. Schonmal vorab ein Foto von der Sportjournalismus-Konferenz am Sonntag, dass uns soeben erreichte. Besten Dank an den lieben Fotografen.

Von links: Jonathan, Daniel und Anja. / Foto: Ein Leser

Von links: Jonathan, Daniel und Anja. / Foto: Ein Leser

[12.50 Uhr, Jonathan – Fernando Molica „To be or not to be for it: the World Cup and the Brazilian Media“] Der brasilianische Journalist, Autor und TV-Reporter Fernando Molica berichtet über den mangelnden investigativen Journalismus im eigenen Land – ein Freifahrtsschein für Ricardo Teixeira, der in seiner korrupten Arbeitsweise frei handeln kann.

Im Jahr 2007 versprach Teixeira: “The 2014 World Cup will be financed by the private sector.” Die Realität sieht anders aus. Über 12,5 Milliarden Euro müssen Bund, Staat und Regierung für die Weltmeisterschaft 2014 investieren – was wird davon wohl alles auf die Bevölkerung transformiert? Die neu kalkulierten Ausgaben sind 28% höher als ursprünglich kalkuliert. Eine Entwicklung, die an die 2007er Pan Amerian Games in Rio erinnert. Auch damals waren am Ende die Ausgabe 10 mal größer, als ursprünglich prognostiziert. Kosten, die damals hauptsächlich die Stadt Rio tragen musste. Und die Fehlkalkulation ist noch nicht beendet. Als Beispiel nennt Molica u.a. den Neuaufbau des Maracana-Stadions, der bei umgerechnet 304 Millionen Euro liegt. Rechnet man die Kosten für den Abriss der alten Arena hinzu, berufen sich die Gesamtkosten auf über 400 Millionen Euro.

Zurück zu der Machtgewalt von Teixeira in Brasilien: Unser Land besitzt keine Tradition sich selbst zu kontrollieren und kritisieren, meint Molica. Absurde staatliche Förderungen für Großunternehmen werden in den Medien ignoriert. So erhielt Nestle bei einer Spende in Höhe von 1 Millionen US-Dollar an den Reiterband von Sao Paulo eine Steuervergünstigung. Die kompletten Fußballfinanzen liegen in Teixeiras Hand. Er definiert den Fußballkalender, bestimmt wann, wo und wie gespielt wird. Entscheidet über die Gelderverteilung, Sponsoren und TV-Gelder.

Viele korrupte Arbeitsweisen von Teixeira wurden bereits dokumentiert. Einmal bei Jens Weinreich nach seinem Namen gesucht – ein dreckiger Blumenstrauß.

Sind jetzt mitten in der Q&A, in der Andrew Jennings gerade loslegt. Für die Journalisten gibt es eine Menge zu tun.

[13.00 Uhr, Daniel – Diskussion zu Brasilien 2014 & 2016] So richtig kritisch wollten die stolzen Brasilianer zunächst nicht sein in der Diskussion, ihr Land ist schließlich das Land der Zukunft, wie sie es sagen. Nach und nach kamen sie aber doch in Fahrt. Schlussfolgerung: „Wir wissen nicht, wo es hingeht.“ Ob es White Elephants geben wird? Es gibt Hinweise darauf, aber natürlich ist das bisher noch nicht zu beweisen. Ob Brasilien überfordert sein wird mit zwei Großereignissen innerhalb von drei Jahren? Vielleicht. Vielleicht gibt es dem Land aber auch den erhofften Extra-Schub.

Das größte Problem im brasilianischen Sport ist die Korruption. Da waren sich am Ende alle inklusive der Zuschauer um Andrew Jennings einig. „Wo ist das Geld?“, das sei im Moment die wichtigste Frage. Und die Brasilianer berichteten, dass es im Vorfeld von WM und Olympischen Spielen nun erstmals investigativen, kritischen Sportjournalismus gebe. Die „richtig guten Recherchen“ spielten „eine wichtige Rolle“ auf der Suche nach der Wahrheit, berichteten die Brasilianer. Und eine nette Anekdote gab es auch noch oben drauf, die zumindest mir bislang unbekannt war: Angeblich finanzierte die Rio-Bewerbung die Anti-Chicago-2016-Webseite. Das sorgte für Gelächter im Raum.

[15.10 Uhr, Daniel – Olivier Niggli „Current challenges and issues for anti-doping“] Olivier Niggli, Justiziar der WADA, hält einen routinierten Vortrag. Nächstes Jahr soll der Anti-Doping-Code einmal mehr überarbeitet werden. Niggli sagt, der Kampf wird immer teurer und komplizierter, auch wegen der laufenden und drohenden Rechtsstreitigkeiten. Wissenschaftler haben oft keinen großen Spaß daran, vor Gericht ihre Befunde zu verteidigen. Niggli erinnert an Marion Jones als Beispiel für die Probleme des Anti-Doping-Kampfes und bezeichnet Ermittlungen als wichtigen Bestandteil des Anti-Doping-Kampfes, Regierungen und Polizei sollen helfen.

Die Herausforderungen: Die Unterwelt ist im Handel mit Dopingmitteln verwickelt. Die Gewinnspannen sind riesig. Aus 100 Dollar könne man ohne großes Risiko zwischen 1000 und 10.000 Dollar machen. Die Mittel werden in privaten Laboren hergestellt, werden unter Freizeitsportlern verteilt. Der große Schwarzmarkt von Medikamenten ist für Niggli ein großes Problem. 25 Prozent der weltweiten Medikamente sind auf dem Schwarzmarkt zu haben, sagt Niggli. Dazu kommt weiterhin der Doper, der vom Doping-Kontrollsystem erfasst wird. Auch mit Blutpässen werde der intelligente Doper weiter durch die Netze schlüpfen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass das CAS den Blutpass als rechtlich zulässiges Verfahren anerkannt habe, in zwei UCI-Fällen. “Das war ein großer Schub”, sagt Niggli.

Die WADA wird bei positiven Tests vor Gericht geklagt, wird angegriffen, wenn Test-Verfahren zu lange dauern, hat Diskussionen um den Datenschutz: Es gibt also einiges zu tun. In Sachen Datenschutz weist Niggli auf ein Urteil des höchsten französischen Gerichtes hin, dass die Whereabouts gestärkt habe, ich aber auf die Schnelle grad nicht finde.

Wichtiges Thema für Niggli ist das Umfeld des Athleten. Trainer, Physios, Ärzte, Berater, zum Teil Eltern – nicht nur der Athlet sollte für Doping-Vergehen bestraft werden. Eine Idee, wie man das Umfeld bestrafen könnte, hat Niggli aber nicht.

[15.15 Uhr, Anja – Hajo Seppelt „The questional influence of of International Federations in the fight against doping“] Hajo Seppelt, freier Mitarbeiter von ARD und WDR, und sein Kollege Robert Kempe haben im vergangenen Jahr mit einer Recherche begonnen, bei der sie Nachfragen an Organisationen für Dopingbekämpfung gestellt haben zu ihren detaillierten Untersuchungen. „Am wichtigsten war uns dabei: Was genau passiert mit den Proben – und was für Proben werden genau genommen?“, sagt Seppelt. Sie wollten dabei herausfinden, ob der nach außen getragene große Aufwand, den die Organisationen betreiben, sich am Ende auch wirklich auszahlen und zur Dopingbekämpfung beitragen.

Das Ergebnis – „nicht sehr überraschend“ – war zunächst einmal die Erkenntnis: Viele Organisationen wollten nicht detailliert antworten und die genauen Abläufe offenlegen. „Oft hörten wir das Argument, es gehe dabei um Datenschutz. Dass sie keine Athletennamen nennen wollten, war uns ja klar, aber eigentlich wollten wir ja ja nur wissen, wie viele Blut- und Urinproben sie nehmen und vor allem, was für eine Art Proben.“

Die Nachfragen beim internationalen Schwimmverband FINA gab das Team irgendwann auf. „Die erhaltene erste Antwort war zu oberflächlich, als dass wir etwas damit hätten anfangen können und am Ende hätte es zu viel Arbeit gemacht, einzeln jeder Organisation hinterherzurennen.“ Der internationale Radsportverband UCI antwortete gar nicht – wahrscheinlich, weil er und Kempe im Vorjahr den „Fall Contador“ veröffentlicht haben. Bei Nachfragen bei IAAF, FIFA, IBU, ISU und ITU kamen aber einige Ergebnisse heraus.

Vor allem um die Suche nach Missbrauch von Wachstumshormonen und dem Ausdauermittel EPO (Erythropoetin) ging es bei den Nachfragen – einen Hinweis auf den Missbrauch von EPO gibt in der Regel das Blutbild, dann sollte die Untersuchung einer Urinprobe Gewissheit bringen. Wachstumshormone lassen sich in der Regel in einer Blutserum-Probe nachweisen, die zu nehmen und zu untersuchen aufwändiger ist, als eine Vollblutprobe.

Die markantesten Erkenntnisse: Die internationale Eislaufunion ISU erklärte: Sie machen in 98 Prozent der Fälle keine Urinprobe, wenn sie auf EPO testen – das ist schlicht zu teuer. Und die internationale Biathlon-Union IBU macht nur bei weniger als einem Prozent der Untersuchungen eine Analyse, die auch Wachstumshormone nachweist.

Außerdem, habe ihm David Howman von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA erklärt, hat die WADA keine Einsicht in die einzelnen Verträge, die die Organisationen mit den Laboren schließen. „Das bedeutet für mich: keine Transparenz. Und das ist ein Grund mehr für mich zu bezweifeln, dass ernsthaft an der Dopinganalyse und -kontrolle gearbeitet wird.“

[Update] Nachgereicht der Link zum “Sport Inside”-Beitrag über die beschriebene allgemeine Situation der Dopingkontrollen.


[15.20 Uhr, Jonathan – Wilhelm Schänzer „How to improve the fight against doping“]
Der Leiter des Instituts für Biochemie holt ziemlich aus. Preist Manfred Donike für seine Pionier-Arbeit im Kampf gegen Dopingpraktiken. Aus seiner Arbeit ist das Institut für Biochemie entstanden, welches alljährlich eine aktualisierte Auflage der “Recent Advances in Doping Analysis” herausgibt, mittlerweile in Version 16.

Er klickt durch die aktuelle “WADA List of Prohibited Substances and Methods”. Bei seinen Ausführungen betont er die Wichtigkeit der Out-Of Competition Tests, bislang nichts Neues.

Er schließt mit einem waghalsigen Abschlussbild: Der Dopingsünder läuft auf einer Höhe mit den Anti-Doping Jäger – wirklich ein Wettkampf auf Augenhöhe?

[16.11 Uhr, Daniel – Verpasst] Leider haben wir die beiden wohl spannendsten Vorträge des Doping-Panels verpasst. Perikles Simon, Dopingforscher von der Uni Mainz, und Jonas Hoffmann von der Basketball-Spielergewerkschaft SP.IN konnten wir uns leider nicht ansehen. Schade, aber es geht nicht alles.

[17.54 Uhr, Jonathan – Filmemacher Niels Christian Jung: The Third Eye – money and access in professional football] Der Filmemacher Jung hat den Fußballspieler Morten Nielsen fünf Jahre lang mit der Kamera begleitet. Mit 15 Jahren galt der Däne als einer der talentiertesten Fußballspieler seines Landes und muss in den Folgejahren die Schwierigkeiten des Profigeschäftes kennenlernen. Diese Entwicklung stellt Jung in seiner Doku “Son of a football star” chronologisch dar. Mit über hundert Stunden Archivmaterial von der Familie Nielsen versorgt, kann er selbst den Moment zeigen, indem Morten als 6-jähriges Kind seinen ersten Fußball von seinem Vater geschenkt bekommt:

19. Februar 1996: Der kleine Morten sitzt an seinem Geburtstagstisch und bekommt von seinem Vater ein Geschenk überreicht. Als er den Fußball auspackt, sprint er sofort auf und beginnt den Ball gegen eine Wand zu spielen. Dabei fragt er seinen Vater, ob sie rausgehen und gemeinsam kicken können… CUT… 10 Jahre später, Sommer 2006: Vater und Sohn betreten das Vereinsgelände vom FC Chelsea. Auf einer Pressekonferenz stellt Talentmanager Frank Arnersen den 16-Jährigen Nielsen als einen der talentiertesten Nachwuchsspieler seines Verein vor. Mit einem 3-Jahres-Vertrag ausgestattet, kommentiert er seine Aufgabe: “I’m a striker, I’m a goal scorer….CUT”

Die Vater und Sohn Beziehung nennt Jung als einer der zentralen Beobachtungen. Noch wichtiger sei es ihm aber, den schwierigen Weg eines Topspielers im modernen Fußball aufzuzeigen: “Sport ist power, einer der am schnellsten weiter entwickelten Industrien der Welt… die Sportindustrie wird immer weiter kommerzialisiert…”

Als eine Herausforderung bei der Recherche benennt den Zugang zu denen Vereinen, die zunächst alle sehr zögerlich reagierten. Jeder Anfrage, die weitestgehend feste Abläufe im Verein unterbricht, wird zunächst als ein Störfaktor angesehen. Ähnlich wie bei einem investigativen Reporter muss man viel Geduld haben und zum Teil Monate oder Jahre auf Quellen oder Zugänge warten. Doch ein paar Vereine hätten am Ende sein Projekt verstanden und finanzierten teilweise seine Arbeit (FC Chelsea). Ein Film frei von kommerziellen Inhalten ist authentischer, anders als der klassische Imagefilm.

In einer zweiten Filmszene wird deutlich wie nah Jung den Fußballspieler mit seinem “third eye view” begleite:

2010: Morten kommt bei seinem Verein AZ Alkmaar zu spät zur Massage, wird ins Büro des Trainers verdonnert. Dieser redet auf ihn ein: “You should to be more proffessional… You din’t play as well yesterday.. you should more behave like a grown player.. Do somethin about it… It’s your life”

Eine Nachfrage aus der Runde nehme ich noch mit. In den fünf dokumentierten Jahren war Nielsen keinem Menschen näher als dem Autor Jung. Eine kaum lösbare Herausforderung für Jung, indem er die nötige kritische Distanz wahren wollte, aber dennoch nah an seinem Leben und seinen Problemen dran sein musste.

Ergänzende Anmerkung zum Autor: In einem weiteren Filmprojekt hat er in diesem Jahr den Radfahrer Andy Schleck und sein Team Leopard-Trek bei der Vorbereitung auf die Tour de France 2011 begleitet.

[18.04 Uhr, Anja – Filmemacher Harshad Mistry „The Making of Rwanda 17“] Viele der Gäste bei Play the Game haben bisher die Bühne, die ihnen hier geboten wird, auch für sich genutzt. Die meisten haben eine Idee präsentiert, viele eine Idee und sich selbst. Massiv Werbung gemacht für ein einzelnes Projekt haben bisher noch nicht viele – ob es nun Bescheidenheit sein mag oder etwas Anderes, lässt sich wahrscheinlich im Nachhinein nicht einmal mehr mit der Randomized-Response-Technique feststellen. (Bereits vorgestellt von Jonathan am ersten Konferenztag beim Thema “Match Fixing Survey” um 18.15 Uhr). Harshad Mistry ist jetzt einer der wenigen: Er lässt einen Trailer laufen, der um Sponsoren bittet für das Filmprojekt „Rwanda 17“.

Normalerweise arbeitet Mistry für die BBC, in das Projekt „Rwanda 17“ ist er aber „so reingerutscht“, sagt er. Es geht um den Genozid in Ruanda im Jahr 1994, den ein Bekannter von ihm mit einer Dokumentation indirekt aufarbeitet – es ist eine Dokumentation über die U17-Fußballnationalmannschaft des Landes. Die Spieler sind alle 1994 geboren und gehören damit zur ersten Generation, die den Genozid nicht erlebt hat. Die Mannschaft hatte sich für die U17-WM in Mexiko in diesem Jahr qualifiziert, das Filmteam hat sie bei dieser Reise begleitet, befragt und auch das Umfeld der Mannschaft wie Familienmitglieder oder Fans einbezogen.

Außerdem thematisiert die Dokumentation die Suche nach dem Unterschied zwischen Ruanda und Sierra Leone – dieses Land hat sich vom Bürgerkrieg 1999 noch immer nicht erholt, während Ruanda sich inzwischen zumindest äußerlich sehr entwickelt hat.

Die U17-Nationalmannschaft ist bei der WM übrigens in der Vorrunde ausgeschieden. Aber es soll ja tatsächlich Fälle geben, in denen das nicht alles ist, was zählt.

[18.23 Uhr, Jonathan – Hajo Seppelt/ Robert Kempe: Sport in North Korea – insights into an unknown world] Anja hat bereits am Sonntag (14:45h) über die bewegende 40-Minuten Dokumentation von Hajo und Robert über den Sport in Nordkorea berichtet, sodass wir hier nur ein paar Anmerkungen aus der Q&A Runde mitnehmen. Ob die finale Doku schon den Weg nach Nordkorea gefunden hat, wissen sie nicht. Aus Autorensicht wurde leider sehr viele Klischee-Vorstellungen bestätigt. Dabei betonen sie, dass sie nur einen Teileindruck bekommen konnte, da sie unter ständiger Kontrolle der Regierung standen. Allein die Blicke der Kinder setzen zahlreiche Gedankenblitze in ihren Köpfe in Bewegung. Weitere Eindrücke in Stichworten: Geisterstädte, Angst, Kontrolle, Misstrauen.

[19.03 Uhr, Anja – „Barras Bravas: soccer violence in Argentina“] Über Monika Nizzardo hat Jonathan gestern (13.17 Uhr) bereits berichtet, sie erzählte von Gewalt im argentinischen Fußball. Nun stellt sie den Film “Futbol Violencia S.A.” vor – eine Dokumentation, die einen so dramatischen und dämmerigen Internetauftritt hat, dass man mit mindestens fünf Litern fließendem Blut im Film rechnet. Zumindest in den Ausschnitten wirkte “Futbol Violencia S.A.” aber nicht effektheischend, sondern gewährte kleine Einblicke in die Gedankenwelt derer, die jeweils ein kleiner Teil der Gewaltkultur im argentinischen Fußball – und darüber hinaus – sind.

[19.47 Uhr, Jonathan – Jens Weinreich „Investigative journalism between speedblogging and crowd sourcing“] Nach einer allgemeinen Einführung in den modernen Datenjournalismus von Biba Klomp, gab Jens Weinreich einen Einblick in seinen Überlegungen und die bislang ungenutzten Chancen in diesem Bereich. Eine Herausforderung speziell im investigativen Sportjournalismus liegt für ihn im Abgleich der Daten, die recherchiert wurden und bereit liegen. Weltweit existiert beispielsweise keine Datenbank, die alle Korruptionsfälle in einen Zusammenhang bringt. Selbst wenn wahrscheinlich nur 3-5% der Korruptionsfälle an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist es notwendig, diese vorhandenen Daten in Zusammenklang zu bringen. Das kann im ersten Schritt bedeuten: Alle Verbände, alle involvierten Personen, alle Politiker, alle beteiligten Unternehmen etc. auflisten. Im nächsten Schritt werden die “Spezial-Informationen” (z.B. Korruptionsfälle) hinzugefügt. Und schließlich der dritte entscheidende Schritt: Diese gesammelten Daten müssen abgeglichen werden, um Antworten zu speichern. Wer ist mit wem, wie verbunden? Welche Doppelfunktionen sind bekannt? etc. Mit der richtigen Technik und genügend Zeit kann ein Überblick der Verbindungen geschaffen werden.

JW-Appell: Dies ist keine Aufgabe für eine Einzelperson – null Chance. Packt es gemeinsam an, go 4 it!

[20.21 Uhr, Daniel – „Tech-Doping: Crime Or Fair Competition?“]
Gert-Peter Brüggemann beginnt und macht klar: Techno-Doping gab es schon immer, wird es immer geben. Die Stabhochspringer haben mit Fiberglas-Stäben aufgerüstet, in Zukunft kommt vielleicht der nächste Schritt: Elektrische Energie im Stab – keiner sieht es und nur die wenigsten können es bezahlen.

Ein Beispiel für historische Versuche des Techno-Dopings: Im Hochsprung waren die Schuhsohle eine Zeit lang vorne höher, der sogenannte Katapultschuh. Ende der 1950er Jahre fiel prompt der Weltrekord, ehe der Schuh verboten wurde. Weitere Beispiele: Leichte Zeitfahrräder und -anzüge im Radsport, leichtere Schuhe im Sprint, Karbonplatten unter Sprintschuhen für bessere Steifigkeit – wo ist die Grenze? Die Karbonplatte bringt im Sprint nach Untersuchungen von Gert-Peter Brüggemann etwa 1,7 Prozent, also immerhin 0,17 Sekunden auf 100 Metern (Untersuchung mit 32 kanadischen Sprintern).

Brüggemann kommt auf Pistorius zu sprechen. Die Entwicklung der 100-Meter-Weltrekorde in der Klasse T44 bei den Paralympics hängt eng mit der Entwicklung der Prothesen zusammen. Ende der 1980er Jahre wurden erstmal Karbonprothesen entwickelt, der Weltrekord fiel von etwa 13 auf unter 12 Sekunden. Die nächste Entwicklungsstufe („Cheethas“) brachte den nächsten Schub.

Gert-Peter Brüggemann hatte Oscar Pistorius und dessen Prothesen im Jahr 2007 für die IAAF begutachtet. Pistorius hatte seine Bestzeit damals auf 46,3 Sekunden gedrückt und war beim Golden League Meeting in Rom auf Rang zwei gelaufen. Sieger Braciola benötigte 46,73, Pistorius 46,90 Sekunden. Interessant dabei: Pistorius lief die zweite Hälfte in 22,72, Sieger Braciola in 23,82 Sekunden.

Brüggemanns Tests ergaben: Pistorius hatte im Vergleich zu ähnlich schnellen Läufern eine eklatant niedrigere maximale Sauerstoffaufnahme. Diese ist einer der wichtigsten, begrenzenden Faktoren für Kurz-, Mittel- und Lanzeitausdauer-Leistungen. Umso erstaunlicher, dass Pistorius VO2max, also die maximale Sauerstoffaufnahme in Litern pro Minute bei 42,8, die der Vergleichsgruppe aber bei 59,9 lag. Auch die auf dem Rad-Ergometer gemessene Leistung lag bei 325 Watt statt bei vergleichbaren 425. Pistorius hatte also weniger Sauerstoffaufnahme, weniger Leistung – aber die gleiche Geschwindigkeit. Pistorius wendet offenbar weniger Energie für die gleiche Geschwindigkeit auf, was weitere Untersuchungen bestätigten. Die Kräfte, die auf den Prothesenläufer wirken, sind geringer als die Kräfte bei beidbeinigen Läufern: Pistorius verliert deutlich weniger Energie pro Schritt, er ermüdet weniger.

Brüggemann fasst zusammen: „Pistorius und die anderen 400-Meter-Läufer – das sind zwei verschiedene Disziplinen. Wie Hochsprung und Stabhochsprung.“ Brüggemann kann sich vorstellen, dass es in Zukunft gepimpte Körper gibt. Der menschliche Körper ist nicht perfekt. Die Achillessehne könnte stärker werden, zum Beispiel. „Wo sind die Limits, die wir akzeptieren wollen?“

Der Erlanger Jurist Klaus Wieweg gibt eine kleine Einführung ins Sportrecht beziehungsweise darin, wie sich Juristen ihren Problemen nähern. Das Problem im Sport: Die Suche nach Gerechtigkeit kann zu Überreglementierungen führen. Die Verbandsautonomie kann Kollisionen mit den Rechten der Athleten provozieren, deshalb gilt immer das Abwägungsprinzip. Einerseits gibt es verbandsrechtlich ein Diskriminierungsverbot, dass also auch Menschen mit Behinderungen teilnehmen dürfen. Andererseits gibt es ein Differenzierungsgebot: In einem Wettkampf gegeneinander antretende sollten in etwa gleiche Voraussetzungen haben (Alter, Geschlecht etc.). Die Frage ist: Wie gleich ist gleich genug? Dabei kommt es auch auf Interpretationen an. Und: Die Regeln müssen handhabbar sein.

Das CAS hatte damals für Pistorius entschieden, weil in der Gesamtschau kein Nettovorteil zu beweisen gewesen sei. Jeder Fall sei jedoch gesondert zu bewerten.

Wieweg hätte bei Pistorius wohl anders entschieden. Auch, weil der Aufwand für Ermittlung ins Unermessliche wachsen könnte. Die IAAF müsste ein Regelwerk schaffen, welches das der Skispringer bei weitem übertrifft.

Zum Abschluss fragt Gert-Peter Brüggemann: „Wie viel technischen Support wollen wir? Wollen wir ähnliche Bedingungen für alle oder wollen wir den besten, vielleicht unfairen technischen Support? Darüber werden wir uns in naher, naher Zukunft unterhalten müssen. Was ist der Korridor, den wir akzeptieren wollen?

Klaus Wieweg fragt: „Wer hat das Geld dafür? Wer gibt das Geld, um so etwas zu finanzieren? In Deutschland werden die Institute FES und IAT finanziert, das bringt Vorteile für deutsche Athleten. Die Idee von Fairness und Gleichheit ist die Grundlage des Sports, aber es war schon immer Teil des Sports, dass es keine Gleichheit gibt. In Zukunft werden Anwälte viel zu tun haben im Sport.

[21.03 Uhr, Daniel – Müde] Das wars für heute hier. Die Müdigkeit kommt durch. Heute Nachmittag bin ich bei einem Panel sogar kurz eingenickt. Mehr schlafen wäre gut. Zur Atmosphäre gibt es hoffentlich morgen mehr zu berichten. Und Videos wollten wir auch noch einige drehen. Die Zeit, die Zeit. Bis morgen.

  1. 5. Oktober 2011 -

    Gutes Gelingen am 3. Tag und Danke für die informative Berichterstattung. Live ist Live. Geht nichts drüber.

    Wie ist die Stimmung unter den Journalisten? Gibt es in den Pausen kontroverse Diskussionen? Wie ist generell die Atmosphäre vor Ort?

    Wie ist die Unterkunft und Verpflegung im Detail? Auch ein paar Fotos davon bringen Aufmerksamkeitspunkte.

    Also ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit.

  2. 5. Oktober 2011 -

    […] die Dopingspezialisten vor Ort zu cashen versucht: Die Liveblogs meiner Kollegen: Anja Perkuhn Daniel Drepper Offizielle Play the Game Links: Das aktualisierte Programm als PDF. Bilder von der Konferenz auf […]

  3. 5. Oktober 2011 -

    @sportinsider: Danke für die guten Wünsche. Wir versuchen die weichen Themen gleich mal nachzulegen. Ich geh mal rüber zu den Kollegen in den großen Hörsaal 1 (findet ja alles an der Sporthochschule statt). Bis später!

  4. 5. Oktober 2011 -

    „12,5 Billionen Euro“?? Wohl eher Milliarden!?

  5. 5. Oktober 2011 -

    Besten Dank für den Hinweis, „billions“ sind natürlich Millarden, du hast ganz Recht!

  6. 5. Oktober 2011 -

    Perikles war wieder mal großartig im Gegensatz zu Schänzer. Bei dem habe ich immer den Eindruck, er will seine Arbeit rechtfertigen, um ja nichts ändern zu müssen. Schließlich ist diese ja lukratv für ihn und sein Labor. Da stören andere Ansätze (z.B. P. Simon) nur. Und ihn jucken die Einsparungen bei der WADA auch eher nicht.

  7. 5. Oktober 2011 -

    Indykiste, willst du den Vortrag von Perikles Simon mal in aller Kürze zusammenfassen? Vielleicht kann man ihn sonst ja auch in Kürze auf Abruf bei Play the Game ansehen….

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