Daniel Drepper

Gedanken: Wie kann sich Journalismus finanzieren?

Ich stelle mir häufig die Frage, wie sich Journalismus in Zukunft finanzieren wird. Ich finde es wichtig, dass sich auch Journalisten diese Frage stellen – nicht nur Unternehmensberater und Geschäftsführer. Je größer der Einfluss von Reportern auf die Finanzierung von Medien ist, desto besser die Qualität des Journalismus.

Verleger haben Recherchen und aufwändige Reportagen nur zugelassen, weil sie ein Herz für Journalismus hatten. Überall dort, wo Gewinne optimiert werden sollen, wird die Qualität zusammengestrichen. Das ist immer häufiger der Fall.

Motivation statt Zwang zum Bezahlen

Ich bin sicherlich nicht der einzige, der für Journalismus bezahlt, weil er das Produkt gut findet. Ich habe zum Beispiel ein Abo des Spiegels (früher war es die Süddeutsche Zeitung). Nicht, weil ich den Spiegel von der ersten bis zur letzten Seite lese, sondern weil ich es gut finde, die hin und wieder sehr starken Recherchen mit meinem Abo zu unterstützen.

Ähnlich geht es mir im Netz. Häufig bezahle ich für Dinge, weil ich sie gut finde (die taz, eBooks, Kickstarter-Projekte). Fast nie bezahle ich für Dinge, weil ich dazu gezwungen werde. Irgendwie komme ich da auch kostenlos ran.

Ich halte es deshalb für überlebenswichtig, dass sich Journalisten Gedanken darüber machen, wie sie ihre Leser dazu motivieren können, für ihr Produkt zu bezahlen. Und nicht darüber, wie sie sie dazu zwingen.

Gemeinnützige Recherchebüros
Ich bin ein großer Anhänger von gemeinnützigen Recherchebüros. Bestes Beispiel hierfür ist ProPublica in den USA. Guter Journalismus ist schon immer freiwillig finanziert und subventioniert worden.

Auf dieser Basis habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Unten die dazu passende Literatur.

[Disclosure: In ganz ähnlicher Form waren diese Gedanken in der vergangenen Woche Grundlage für meine abschließende mündliche Diplom-Prüfung (am Institut für Journalistik der TU Dortmund bei Professor Frank Lobigs).]

Meine Gedanken:

  • Print hat keine Zukunft. Die Umstellung auf Online-Erlösmodelle muss innerhalb dieses Jahrzehnts gelingen, um die Vielfalt des Journalismus auch nur annähernd erhalten zu können.
  • Internet-Werbung wird immer effektiver, Print-Werbung in General-Interest-Medien (wie es zum Beispiel Tageszeitungen sind) immer unattraktiver.
  • Die Werbeerlöse der Medien werden weiter fallen, unter anderem durch die zunehmende mobile Nutzung von Internet-Seiten. Dadurch werden sich nur noch ganz wenige Medien durch Werbeerlöse refinanzieren können.
  • Das klassische Modell eines gebündelten Bezahlmediums zerfällt. Kunden sind nicht mehr länger bereit, für Dinge mit zu bezahlen, an denen sie eigentlich kein Interesse haben.
  • Bislang haben Bereiche wie Unterhaltung und Sport den teuren Journalismus im Ausland, in der lokalen Tiefebene und den investigativen Journalismus querfinanziert. Das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren.
  • Relativ problemlos langfristig finanzieren werden sich nur große Medien wie die New York Times und in Deutschland der Springer-Konzern und der Spiegel: durch eine Kombination aus Werbung, nichtjournalistischen Geschäften und Freemium-Modellen.
  • Reine Bezahlmodelle funktionieren im Journalismus vor allem für Nischenprodukte, dazu gehören zum Beispiel Finanzseiten. Auch für extrem guten Journalismus können Bezahlmodelle funktionieren, für lange, am besten multimedial erzählte Geschichten. Das zeigen Beispiele wie The Atavist. Keine Chancen hat dagegen mittelmäßiger Nachrichtenjournalismus.
  • Vor allem der Journalismus, der als vierte Gewalt für eine Demokratie existenziell ist, hat Probleme, sich zu finanzieren. Um teure investigative Geschichten zu stemmen, kann eine Möglichkeit das Einwerben von Spenden sein (von Einzelpersonen und von Stiftungen). Solche journalistischen Projekte sollten im Idealfall gemeinnützig sein.
  • Herausragende Projekte wird es weiterhin geben; für das tägliche, manchmal eintönige Beat-Reporting wird es schwierig. In einer Demokratie hat Journalismus aber nicht nur die Rolle eines beißenden Wachhundes, sondern auch die Rolle einer abschreckenden Vogelscheuche. Sobald Journalisten über einzelne Bereiche der Gesellschaft nicht mehr berichten, wächst die Gefahr für Machtmissbrauch und Korruption.
  • Um kritischen Journalismus in der Breite zu erhalten, braucht es an Journalismus interessierte Verleger und Investoren. Journalismus wird in Zukunft kein Geschäft mehr sein, Journalismus ist eine für die Gesellschaft bedeutsame Leidenschaft.

 

tl;dr: Macht Journalismus aus Leidenschaft. Und überlegt Euch, wie Ihr Nutzer motivieren könnt, freiwillig [Update: für echten Journalismus] zu zahlen.

[Und: Ja, es sind zehn Gedanken. Zehn! Steinigt mich.]

Literatur
Wir sind alle nur Zwerge auf den Schultern von Riesen. Getreu diesem Motto: Meine Gedanken stammen vor allem aus folgender Literatur, die ich jedem empfehle, der sich für die Zukunft und die zukünftige Finanzierung des Journalismus interessiert. Weitere Links und Gedanken zur Entwicklung von Medien verbreite ich regelmäßig bei Twitter.

Kaplan, David: „Global Investigative Journalism: Strategies for Support“ (2013, hier die Zusammenfassung oder als PDF-Download; hier ein Interview mit Kaplan zum Thema)

Bell, Emily / McGregor, Susan / Owen, Taylor / Codrea-Rado, Anna: Post-Industrial Journalism (2012, hier als PDF, hier als Zusammenfassung in 21 Punkten bei Poynter)

Kramp, Leif / Weichert, Stephan: Innovationsreport Journalismus (2012, hier als PDF)

Röper, Horst / Holznagel, Bernd: Vielfalts- und Journalismusstärkung (2010, hier das Gutachten als PDF, hier eine Zusammenfassung bei heise.de)

Beispielhaft für zahlreiche weitere Veröffentlichungen über die Zukunft des Journalismus seien hier genannt: das Blog „Deadline“ von Constantin Seibt oder die beiden Texte von Reuters-Korrespondent Felix Salmon über Werbeerlöse und direkte Zuwendungen von Nutzern.

Als Ergänzung, grad über Twitter (Danke dafür): Das Dossier von Vocer.org über den „dritten Weg“ Journalismus zu finanzieren.

[Das Foto ist von Doug88888 unter der Lizenz BY-NC-SA via flickr.com]

  1. 25. März 2013 -

    Daniel, Dir könnte BLN.FM gefallen (http://www.bln.fm/about).

    =-)

    • 25. März 2013 -

      @Tim Thaler

      Klingt tatsächlich gut. Also das Konzept. Ins Radio hör‘ ich grad mal rein. Danke.

  2. 25. März 2013 -

    Macht Journalismus aus Leidenschaft. Und überlegt Euch, wie Ihr Nutzer motivieren könnt, freiwillig zu zahlen.

    Tatsächlich, ich soll meinen Beruf wie ein Hobby betreiben? Und die Institutionen sind egal? Sollten die sich nicht mal Geschäftsmodelle ausdenken?

    Ne, sorry. Ich warte, bis klar ist, wo qualitativ hochwertiger Content in Zukunft finanziert wird. Das müssen ja nicht die klassischen Zeitungen sein, wenn die nicht in der Lage sind, Geschäftsmodelle zu entwickeln.

    • 25. März 2013 -

      @julia

      Deinen letzten Satz finde ich gut. Warten finde ich nicht gut. Ich finde auch nicht, dass man sich jetzt direkt ins Ungewisse stürzen muss. Aber ich finde, dass auch wir normalen Journalisten uns Gedanken machen sollten, wie man Leute dazu motiveren kann, für Journalismus zu zahlen. Damit es die richtigen Gedanken sind.

      • 25. März 2013 -

        @Daniel Drepper

        Die Vorstellung, dass die Leute beim Kauf einer Zeitung für „Journalismus“ gezahlt haben, ist eine der größten Täuschungen in der aktuellen Debatte.

        • 25. März 2013 -

          @julia

          Wofür haben die Leute Deiner Meinung nach gezahlt?

          Und: Weil sich die Leute jetzt aussuchen können, für was sie zahlen (wenn überhaupt), muss ich die finden, die bereit wären, für Journalismus zu zahlen. Und diese dann motivieren, es tatsächlich zu tun. Die Querfinanzierung ist jedenfalls nur noch eingeschränkt möglich/findet online nur noch eingeschränkt statt.

          • 25. März 2013 -

            @Daniel Drepper

            Wofür? Kinoprogramm, Wetterbericht, Lokal- oder Politkgefühl (wie im Beispiel der taz).

            Gewiss zahlen Leute auch, weils so ne gute Zeitung mit guten Artikeln ist. Ich möchte nur davor warnen zu glauben, man müsse nur neue Finanzierungsodelle für „den Journalismus“ finden und schon wäre alles gut.

            Naja, aber es steht dir natürlich frei, dich als Freelancer auszubeuten, wenns dir Spaß macht und du meinst, dass da besserer „Journalismus“ rauskommt. Ich glaube es nicht und deswegen überlege ich, was ich stattdessen arbeiten kann. Denn so lange die Journalismus-Institutionen auf das Internet nur mit Einsparungen reagieren, will ich da nicht arbeiten.

            Klar hoffe ich, dass nochmal alles gut wird. Aber aktuell sieht das eher traurig aus, findest du nicht?

  3. 25. März 2013 -

    @Julia: Doch, ich finde es auch sehr traurig, dass überall Leute gehen müssen, dass die Honorare mies sind, dass kaum Geld und Zeit für echten Journalismus da ist.

    Die Auswege sind meiner Ansicht nach drei: 1. warten und hoffen (auf die Institutionen); 2. selber machen; 3. aussteigen. Bevor ich drei wähle, probiere ich lieber irgendwann nochmal zwei. Auf lange Sicht ausbeuten lassen geht natürlich nicht – da bin ich bei Dir.

    Zum Rest deines Posts: Die Leute haben bisher freiwillig für ein Bündel bezahlt. In diesem Bündel waren wie du sagst auch Kino und Wetter dabei, aber auch harte Politik und Recherche. Wenn sich dieses Bündel auflöst und die Leute ihr Kino und ihr Wetter umsonst (über Werbeklicks finanziert) beziehen ist die Frage: Wie motiviere ich Leute dazu, nur für harte Politik oder nur für Recherche zu bezahlen, also für echten Journalismus.

    Diese Gedanken macht sich kein profitorientierter Unternehmensberater, diese Gedanken machen sich nur Leute, die Leidenschaft für Journalismus haben.

    • 25. März 2013 -

      @Daniel Drepper

      Das stimmt, also brauchen wir Leute mit Leidenschaft für Journalismus bei den Entscheidern.

  4. 26. März 2013 -

    […] Gedanken: Wie kann sich Journalismus finanzieren? (Daniel Drepper) – […]

  5. 26. März 2013 -

    […] Beitrag ist zuerst erschienen auf danieldrepper.de und steht unter unter der Creative Commons Lizenz “Namensnennung, nicht kommerziell, keine […]

  6. 27. März 2013 -

    […] Medien-Gedanken: Wie kann sich Journalismus finanzieren? … danieldrepper […]

  7. 31. März 2013 -

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  8. 31. März 2013 -

    „Bislang haben Bereiche wie Unterhaltung und Sport den teuren Journalismus im Ausland, in der lokalen Tiefebene und den investigativen Journalismus querfinanziert. Das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren.“
    Kannst du mir das erklären/begründen?

    • 2. April 2013 -

      @Andreas

      Gerne :) Das Bündel löst sich auf, Leser können wählen. Jetzt müssen sich teure, investigative Geschichten und manchmal langweiliges beat-reporting selbst finanzieren. Ich empfehle dazu vom TOW-Center-Report die Seiten 7/8 ff.

      Einen Teil kopiere ich mal:

      Publishers also typically engage in horizontal integration, bundling hard news with horoscopes, gossip, recipes, sports. Simple inertia meant anyone who had tuned into a broadcast or picked up a publication for one particular story would keep watching or reading whatever else was in the bundle. Though this was often called loyalty, in most cases it was just laziness—the path of least resistance meant that reading another good-enough story in the local paper was easier than seeking out an excellent story in a separate publication. The web wrecks horizontal integration. Prior to the web, having a dozen good-but-not-great stories in one bundle used to be enough to keep someone from hunting for the dozen best stories in a dozen different publications. In a world of links and feeds, however, it is often easier to find the next thing you read, watch or listen to from your friends than it is to stick with any given publication. Laziness now favors unbundling; for many general interest news sites, the most common category of reader is one who views a single article in a month.

  9. 3. April 2013 -

    […] schrieb der von mir sehr geschätzte Kollege Daniel Drepper in seinem Blog einen kurzen Beitrag. „Gedanken: Wie kann sich Journalismus finanzieren?“, so lautet der Titel des Posts. Darin führt der Investigativ-Mann zehn Punkte auf, die seiner […]

  10. 6. April 2013 -

    Auch wenn ich sowohl die Richtung, aus der du kommst, als auch die Richtung, in die du denkst, teile, so finde ich doch, dass zu zu oberflächlich bleibst.
    Die klassische Presse hat überwiegend nicht mit journalistischen Inhalten gehandelt (das war nur ein Randgeschäft), sondern hat die Aufmerksamkeit der LeserInnen an Anzeigenkunden verkauft. Journalismus war Mittel zum Zweck. Siehe auch http://neunmalsechs.blogsport.eu/2012/nachruf-auf-die-ftd-da-warens-wieder-zwei/
    Das funktioniert nicht mehr.

    Journalismus zur „Leidenschaft“ zu erklären springt da zu kurz. Journalisten müssen von etwas leben. Sie müssen einen Markt finden, der sie finanziert.

    Die Frage muss sein: Für welche Informationen(-sdienstleistungen) ist welche Zielgruppe bereit heute Geld zu bezahlen?

    Und: Brauchen wir die Zwischenhändler (Verlage) noch, die hier Profite / Rendite für Aktionäre abschöpfen wollen?

    Ich glaube nicht das Print tot ist. Nur die klassische Zeitung hat sich überlebt. Und die zentralen Druckerpressen.

    Ich habe noch keine Informationsprodukt gefunden, dass meine Interessen auch nur annähernd bedient. Ich muss mir noch meine Infos mühsam zusammensuchen.

    Deshalb: Journalisten – sucht euch euren Markt. Macht euch frei von den Verlagen.Gründet Genossenschaften, findet Vertriebsmodelle, bietet (verschiedene) Bezahlmodelle. Nutzt die technischen Möglichkeiten des Internets.

    Vor allem aber: Schreibt nicht einfach ab (dafür brauche ich euch nicht), sondern recherchiert (draussen ind er Welt). Liefert originäre Informationen, Nicht Zeug, dass ich selbst im Internet finde. Dafür zahle ich nix, Naja, nur sehr wenig.

  11. 11. April 2013 -

    […] Drepper,  Journalist , in Gedanken: Wie kann sich Journalismus finanzieren? Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Nachdenkenswert und getaggt mit Daniel Drepper, […]

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