Daniel Drepper

Ahlener Tageblatt II: Lasst euch nichts gefallen!

Weil ich mich nicht ausbeuten lassen wollte, kündigte das Ahlener Tageblatt mir im Dezember die Zusammenarbeit. Ich hatte die offiziellen Vergütungsregeln eingefordert, doch die Glocke missachtete meine Forderung und ich schaltete den DJV ein. Dem sind die Hände gebunden. Nur wenn freie Journalisten gemeinsam aufstehen, können sie sich wehren.

Im Dezember hatte ich ausführlich über die Probleme mit der Sportredaktion des Ahlener Tageblatts („Die Glocke“) berichtet. Kurz zusammengefasst: Ich verschickte einen Text und forderte dafür bei Abdruck die Vergütungsregeln. Ein Redakteur vergewisserte sich telefonisch, dass das eine Bedingungen und keine Bitte ist. Der Text wurde gedruckt.

Ich schrieb, dass ich mich freue, dass das mit den Vergütungsregeln (es ging um 35,26 Euro) so gut klappt. Der Sportchef schrieb zurück, dass ihm das Honorar zu hoch ist. Natürlich stellte ich ihm trotzdem eine Rechnung und erklärte, warum ich auf meinen Bedingungen beharre. Die Glocke reagierte nicht und überwies mir vier Wochen später 23,84 Euro – also 11,42 Euro zu wenig. Ich fühlte mich verarscht, wendete mich an DJV und Freischreiber und schrieb eine Mahnung. Stand Weihnachten 2010.

So weit, so schlecht. Wie ging es weiter?

Der DJV forderte die Glocke kurz vor Weihnachten auf, sich an die Vergütungsvereinbarungen zu halten. „Ein geringeres Zeilenhonorar als vereinbart wäre eine Missachtung der qualifizierten Arbeit Ihrer hauptberuflichen freien journalistischen Mitarbeiter“, schrieb der DJV. Anfang Januar hat mir die Glocke dann kommentarlos die fehlenden 11,42 Euro überwiesen.

Ende Januar die Antwort der Glocke an den DJV: Es komme so gut wie nie vor, dass sich Mitarbeiter über zu niedrige Honorare beklagen. Ich persönlich hätte mich angeblich in einem Telefonat mit dem Lokalsportredakteur ebenfalls mit dem niedrigeren Honorar zufrieden gegeben (was gelogen ist).

Zudem unterstellt die Glocke mir laut DJV, nicht hauptberuflich frei tätig zu sein; dabei hatte ich das in mehreren Mails und im Telefonat deutlich gemacht. Ich bin bei der Künstlersozialkasse versichert, arbeite für verschiedene überregionale Medien und verdiene meinen Lebensunterhalt seit Jahren als freier Journalist.

Die Glocke sagt laut DJV, sie habe mich rausgeschmissen, weil ich das Honorar (nach Wochen des Wartens und nach Rücksprache mit dem DJV) mit erneuter Rechnung und Mahnung eingefordert habe. Dies habe für „Verdruss“ gesorgt.

Für Verdruss sorgt bei mir, dass ich überhaupt so einen Aufstand machen musste, um das mir zustehende Honorar zu bekommen. Die Glocke versicherte dem DJV gegenüber, dass sie ihre Redakteure und Volontäre nach Tarif bezahlt. Was haben freie Journalisten davon? Nichts.

Der DJV hat die Glocke letztlich darauf hingewiesen, dass sie die Vergütungsregeln in Zukunft einhalten soll. Rechtlich hat die Gewerkschaft leider keine weiteren Möglichkeiten, anders als beim Tarifvertrag kann sie auf die Einhaltung der Vergütungsregeln nicht klagen.

Mir sind weitere freie Mitarbeiter der Glocke bekannt, die hauptberuflich arbeiten, aber nicht nach den Vergütungsregeln bezahlt werden.

Einziger Ausweg: Freie Journalisten müssen gemeinsam aufstehen und gegen die unterirdischen Honorarsätze protestieren. Das ist leider sehr schwierig. Bei einer recht großen Regionalzeitung versuchen die freien Journalisten mit Unterstützung des DJV seit längerem, die Vergütungsregeln gemeinsam durchzusetzen.

Insgesamt werden die Vergütungsregeln weiterhin von so gut wie allen Zeitungen ignoriert. Das ändert sich nur, wenn sich jeder einzelne gegen unterirdische Honorare wehrt.

Für mich haben sich zwei Dinge geändert. Erstens: Ich schreibe nicht mehr für die Glocke (Wayne?). Zweitens: Mein journalistisches Selbstwertgefühl ist gestiegen (Und alle so: Yeah!). Fazit: Für die eigenen Rechte einzutreten, ist voll zu empfehlen.

Neun Cent pro Zeile, zehn Euro pro Foto

Dieser Text kommt viele Wochen zu spät; weil mir ein Freund vor Kurzem eine ähnliche Geschichte erzählt hat, habe ich den Text doch noch geschrieben.

Der Freund arbeitet seit vielen Jahren für den regionalen und überregionalen Sport einer Zeitung. Er schreibt und fotografiert in der ersten und zweiten Bundesliga; für annehmbare Tagessätze. Vor einigen Wochen hat er eine schöne Geschichte für den Lokalteil aufgeschnappt. Er hat geliefert, ein großer Text, mehrere Fotos. Sein Honorar: neun Cent pro Zeile, zehn Euro pro Foto.

Er wird nie wieder für den Lokalteil schreiben.

Dass die Honorare für hauptberuflich freie Journalisten besonders bei Regionalzeitungen häufig skandalös sind, ist bekannt. Ich habe mit Leuten gesprochen, die für 50 bis 60 Euro am Tag gearbeitet haben – nach ihrer Ausbildung.

Das ist extrem entwürdigend. Wer seine Mitarbeiter so schlecht bezahlt, braucht sich nicht wundern, wenn er bald keine Leser mehr hat.

Ich versuche mittlerweile überall im Vorfeld eine Pauschale abzusprechen. Die Bezahlung nach Zeilen halte ich ohnehin für völlig unsinnig.

Tipp: Höheres Honorar auch im Nachhinein möglich

Der DJV hat noch einen Hinweis für alle, die sich wehren wollen: Honorare nach Vergütungsregeln können auch im Nachhinein durchgesetzt werden. Wer belegen kann, dass er monatelang weniger Honorar als die Vergütungsregeln bekommen hat, kann sich die Differenz vor Gericht rückwirkend wiederholen.

Das Beste: Diese Möglichkeit gibt es nicht nur für die Zeit, seit der die Vergütungsregeln gelten – also seit Anfang 2010 – sondern sogar darüber hinaus. Die Vergütungsregeln bestimmen, was eine angemessene Bezahlung der Autoren ist. Im Urheberrecht war aber schon vor Einführung der Vergütungsregeln festgeschrieben, dass Autoren angemessen bezahlt werden müssen.

Der DJV argumentiert, dass eine angemessene Bezahlung im Jahr 2009 nicht halb so hoch gewesen sein kann, wie im Jahr 2010. Die in den Vergütungsregeln festgelegten Sätze müssen also auch für die Jahre davor gelten. Bisher habe das vor Gericht geklappt, sagt DJV-Anwalt Christian Weihe.

Und hier gehts weiter:

Sich organisieren! Die Freischreiber sind ein toller Verein. Oder man versucht es über facebook, wie die Herzblutjournalisten. Auch wenn ich finde, dass deren Fokus bislang zu stark auf Zeitungen und den dortigen Einstiegsgehältern liegt. Junge Journalisten müssen sich insgesamt viel stärker gegen Ausbeutung wehren. Und sich viel stärker um zukünftige Erlösmöglichkeiten bemühen. Ein kreatives Beispiel ist die investigative Dokumentation Toxic Europe.

1728 Unterschriften hat zuletzt die Online-Petition von Daniel Stahl gefunden. Seinem offenen Brief an die Verleger überlasse ich auch das Schlusswort:

„Wenn Sie die Löhne so drastisch senken, geben Sie uns das Gefühl, dass Sie nicht mehr so recht an den Journalismus glauben. Es wirkt auf uns, als wären Zeitungen für Sie nur noch Spekulationsobjekte, die bis zum endgültigen Zusammenbruch des Geschäftsmodells eine größtmögliche Rendite abwerfen sollen. Aber Journalismus hat eine Aufgabe. Was wäre sonst mit der vierten Gewalt? Wer soll für Ihre Leser das Wichtige vom Unwichtigen trennen können, gesellschaftliche Entwicklungen einordnen und erklären?“

  1. 13. Juli 2011 -

    Du schreibst einem freien Journalisten aus der Seele. Doch wie ändern?
    Viele Lokalzeitungen legen keinen Wert mehr auf Qualität. Die Texte sind nicht nur mit Rechtschreibfehlern übersät, sondern auch noch platt um unsinnig.
    Mit 10 Euro pro Foto liegen wir sogar noch gut. Mir sind wesentlich geringere Honorare für die oftmals so hochgelobten Nachwuchsjournalisten bekannt. Und genau diese Jungs und Mädels sind unsere Konkurrenten. Es interessiert niemanden ob ich 20 Jahre im Geschäft bin, weiss was ich tue. Nein, der Nachwuchs macht meinen Job billig und für die Hälfte. Immerhin wird mir angeboten günstiger zu werden, so würde ich auch wieder mehr Aufträge erhalten.
    Daher mein Fazit: So lange es zu viele, (zu) gut bezahlte feste Redakteure im Mix mit Schülern (Nachwuchsjournalisten) gibt, wird das Leben als freier Journalist nur härter.
    Ausweg nicht in Sicht.

  2. 13. Juli 2011 -

    Ich gehöre auf gewisse Art ja auch noch zum Nachwuchs. Junge Journalisten sollten nicht für viel zu wenig Geld arbeiten, im Sinne Aller. Aber kein Ausweg? Ich glaube, dass es ohnehin sinnlos ist, auf eine Bis-Zur-Rente-Versorgung bei traditionellen Lokalzeitungen zu hoffen. Warum also nicht mit voller Kraft was probieren?

  3. 26. Juli 2011 -

    […] denkt, Milchbauern würden von den Discountern ausgebeutet, sollte man lesen, was Daniel Drepper von einem Kollegen erzählt, der mal versehentlich etwas für den Lokalteil geschrieben hat, ohne […]

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